13.09.2006

NR-Wahl: Kirchen präsentieren Fragen zur politischen Verantwortung

Bünker: Schweigen der Kirchen in politischen Auseinandersetzungen weder ratsam noch möglich

Bünker: Schweigen der Kirchen in politischen Auseinandersetzungen weder ratsam noch möglich

Wien (epd Ö) „Es ist nicht selbstverständlich, wenn sich Kirchen bei politischen Fragen und bei Wahlen zu Wort melden, aber ein Schweigen der Kirchen in diesen Auseinandersetzungen ist weder ratsam noch möglich“, sagte Oberkirchenrat Hon.-Prof. Dr. Michael Bünker am Mittwochabend, 6. September, vor Journalisten in Wien. Gemeinsam mit Erzpriester Dr. Nicolae Dura von der Rumänisch-orthodoxen Kirche in Österreich und Msgr. Dr. Werner Freistetter, dem Leiter des Instituts für Religion und Frieden und Bischofsvikar im römisch-katholischen Militärbischofsamt Wien, stellte Bünker die „Fragen zur politischen Verantwortung“ vor, die der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) neu aufgelegt hat. Die Fragen sollen eine Orientierungshilfe bieten, um „das Gewissen zu schärfen, die eigene Meinung verantwortungsbewusst zu prüfen und zu begründen und darüber freimütig mit anderen ins Gespräch zu kommen“, so ÖRKÖ-Vorsitzender Bischof Mag. Herwig Sturm.

Bünker verwies darauf, dass „die Möglichkeiten, wie Kirchen politisch Stellung nehmen können“, vielfältig seien. Es werde nie möglich sein, dass die Gesinnung von Christen „in den Bereich des Privaten abgeschoben wird.“ Die „Mündigkeit von Christinnen und Christen ist in politischen Auseinandersetzungen vorauszusetzen,“ erklärte der Oberkirchenrat. Allerdings würden die Kirchen auch in dem Spannungsverhältnis zwischen der „Erwartung, dass die Kirchen als Wertespenderinnen in der Gesellschaft auftreten“ und dem „Misstrauen und der Kritik gegenüber kirchlichen Institutionen“ stehen. Obwohl „Kirchen sehr aktiv, klar und deutlich ihre Positionen vertreten“ müssten, könnten sie aber auch „manches Mal für eine Wertediskussion instrumentalisiert werden“. Auf die Frage aus dem Publikum, ob man als Christ Parteien mit fremdenfeindlichen und antisemitischen Programminhalten wählen könne, sagte Bünker: „Rassistische Politik und antisemitische Politik verträgt sich mit dem Anliegen der christlichen Botschaft nicht.“

Dura gratulierte der Initiative des Fragenkataloges und betonte: „Wir haben die Chance und Verantwortung, dass wir gemeinsam etwas mehr machen müssen.“ Die orthodoxe Kirche mische sich jedoch nicht „in die Parteiarbeit ein“, sondern versuche, „in harmonischer Zusammenarbeit die Probleme der Menschen zu lösen“. Die „Hauptaufgabe der Kirchen“ sei „das Heil der Menschen“, unterstrich der Erzpriester. Deshalb sollten die Kirche „zu jeder Partei als menschlicher Institution die gleiche Distanz halten“ und Christinnen und Christen „die christlichen Werte unterstützen.“

Freistetter bemerkte, dass „Kirchen in der heutigen Situation für Defizite in der Gesellschaft“ verantwortlich gemacht, aber gleichzeitig „aufgefordert werden, für fehlende Werte einzustehen“. In der gesellschaftlichen Diskussion gehe es „um Grundwerte, bei denen die Kirche vom Glauben und von der Theologie her Kompetenz hat“. Der Bischofsvikar hob lobend hervor, „dass in den Kirchen das Bewusstsein gewachsen ist, dass es ohne den mündigen Christen in der Politik nicht geht“.

Dass sich die Kirchen zu Wort melden dürfen, ist für Bischof Sturm, ist ein „Signal, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der das Wort sehr frei ist“. Wenn in einer Gesellschaft „die Schwächsten immer zu Prügelknaben gemacht werden“, erheben die Kirchen „zu Recht ihr Wort“.

In „einer Zeit großer gesellschaftlicher Veränderungen und rascher Entwicklungen in Österreich, in Europa und in der Welt“ erklärt der Katalog „Fragen zur politischen Verantwortung“ des ÖRKÖ: „Das Evangelium, das wir als Christinnen und Christen gemeinsam bezeugen, beauftragt uns, auch kritische Anfragen an Politik und Gesellschaft zu richten. Auf diese Weise kommen die christlichen Kirchen ihrer prophetischen Aufgabe in der Welt nach.“ In Form einer Checkliste führt dieses Papier durch wichtige Themen des Zusammenlebens und der politischen Gestaltung. Die Kirchen wollen damit „die Qualität der politischen Debatte in unserem Land verbessern und den einzelnen Mitgliedern helfen, eine gute Wahl zu treffen“, so Bischof Sturm.

Eingeladen hatte zu dem Gespräch, das Mag. Gabriele Neuwirth moderierte, der Verband katholischer Publizisten Österreichs. Weitere Informationen zu „Fragen zur politischen Verantwortung“ unter www.kirchen.at.

ISSN 2222-2464

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