01.05.2017

„Liebe Gottes kennt keine Obergrenzen“

„Nacht der Bibel“: Neutestamentler Stefan Alkier über das „Buch des Umdenkens“

"Ich habe die Musik komponiert als Ruheinseln, um das von den beteiligten Schauspielern so eindrücklich Vorgetragene auf sich wirken zu lassen", erklärt Stefan Alkier (Foto: Guido Sedlaq)

„Nacht der Bibel“: Neutestamentler Stefan Alkier über das „Buch des Umdenkens“

Wien (epdÖ) – „Die Bibel begeistert mich. Sie lässt mich die ganze Welt und alle Menschen als von Gott liebevoll gewollte Mitgeschöpfe sehen. Sie spricht aus der Fülle der Schöpfung und macht unzweideutig klar, dass diese Fülle für alle alles Lebensnotwendige bereitstellt. Sie ist deswegen auch ein hoch politisches Buch, denn sie stellt ein Gegenmodell zur kapitalistischen Theorie der Mangelverwaltung dar“, erklärt der Neutestamentler Stefan Alkier (Goethe-Universität Frankfurt am Main) im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Der Theologe ist Begründer der „Nacht der Bibel“ – ein besonderes Event, in der die Bibel als Ganzes an einem Abend präsentiert wird, und das von namhaften Schauspielern: Barbara Auer, Peter Lohmeyer und Christian Nickel inszenieren die Textauswahl. In Wien feiert die „Nacht der Bibel“ am 5. Mai Österreich-Premiere. Die Besucherinnen und Besucher erwartet Alkiers besondere, ästhetisch wie theologisch durchdachte Zusammenfassung der Bibel, einem Buch das „für viele Menschen einfach zu dick und zu schwer zu verstehen ist“, so Alkier.

Für den Frankfurter Theologen ist die Bibel ein Buch, das Menschen in die Pflicht nimmt. „Niemand kann sich herausreden, wenn Menschen Menschen und anderen Geschöpfen Leid zufügen oder wegsehen und im Leid umkommen lassen. Die Liebe Gottes kennt keine Obergrenzen und dies – und nichts anderes – ist die Orientierung für alle, die in der Nachfolge Jesu Christi, dem Ausdruck der Liebe und Allmacht Gottes schlechthin, leben wollen“, bringt es Alkier auf den Punkt. „Sogenannte ‚Christen‘ wie Donald Trump oder Viktor Orbán und ihre Getreuen, die meinen, Menschen in Not, die nicht ihrer Nation angehören, gingen sie nichts an, sollten sich schämen. Sie haben jedenfalls keinerlei Anspruch darauf, Christen genannt zu werden. Die Bibel ist das Buch des Umdenkens. Ihre liebevolle Perspektive ist das Evangelium für alle Menschen. Wer gute Nachrichten nur für das eigene Volk, für die eigene Nation, für die eigene Interessensgruppe hat, verrät die universale, grenzenlose und Grenzen einreißende Liebe Gottes.“

Für die „Nächte der Bibel“ in Wien, Wiener Neustadt und Krems an der Donau erhofft sich der Neutestamentler, dass die Besucherinnen und Besucher von der Botschaft der Bibel ergriffen werden, die eine klare Positionierung auf der Seite der Liebe und Barmherzigkeit für alle Menschen ist. Darüber hinaus sei die Bibel nicht nur für Gläubige und TheologInnen interessant, sondern auch philosophisch höchst spannend, weil sie in der Lage sei, Singuläres, Neues und Zukünftiges zu denken.

Die „Nacht der Bibel“ sei jedenfalls auch im Sinne des Reformators Martin Luther, zeigt sich Stefan Alkier überzeugt. „Die Nacht der Bibel gestaltet mein Verständnis des reformatorischen ‚sola scriptura‘. Die biblischen Texte können ja nur wirken, wenn sie wahrgenommen, gehört, miteinander vernetzt werden. Ich habe die Nacht der Bibel komponiert als Performanz reformatorischen Bibelverständnisses. Es gibt in reformatorischer Sicht keinen besseren, plausibleren, zuverlässigeren Weg zur Wahrheit Gottes und damit zu unserer Lebenswirklichkeit, als die Bibel. Diese aber ist ein zerbrechliches Gefäß und muss stets neu interpretiert und vor hässlichen und gewaltvollen Missverständnissen geschützt werden. Das geht am besten, wenn man die Bibel als Gesamtes, als vielstimmiges aber zusammenhängendes Ganzes wahrnimmt.“ Mit diesem Abend möchte Alkier jedenfalls Menschen an dieses Buch heranführen, dabei gehe es aber nicht um Simplifizierung der biblischen Botschaft, sondern vielmehr um eine Elementarisierung, um eine „Orientierung an ihrer Gesamtstruktur, um ihr Ganzes sehen zu lassen“. „Dafür habe ich auch die Musik komponiert, als Ruheinseln, um das von den beteiligten Schauspielern so eindrücklich Vorgetragene auf sich wirken zu lassen.“

In Wien ist die „Nacht der Bibel“ am 5. Mai 2017 um 19 Uhr in der evangelischen Auferstehungskirche in Neubau (Lindengasse 44a, 1070 Wien) zu sehen, Eintritt: 15 Euro. In Wiener Neustadt dann am 6. Mai um 18 Uhr in der evangelischen Auferstehungskirche (Ferdinand-Porsche-Ring 6, 2700 Wiener Neustadt) und in Krems a.d. Donau am 7. Mai um 18 Uhr in der evangelischen Heilandskirche (Martin-Luther-Platz 3, 3500 Krems a.d. Donau).

ISSN 2222-2464

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Bibel | Kunst

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