24.06.2010

Im Nebel liegende Kirche als Bühne für Bonhoeffers unsichtbare Mächte

"Unsichtbare Mächte - A Phantom Feast for Dietrich Bonhoeffer" - Premiere in der Reformierten Stadtkirche

„Unsichtbare Mächte – A Phantom Feast for Dietrich Bonhoeffer“ – Premiere in der Reformierten Stadtkirche

Wien (APA/epd Ö) – Einem bedrohlichen Pochen an das Holzportal folgen fordernde Männerstimmen: „Bonhoeffer, Sie hinterhältiger Verschwörer! … Sie dreckiger Judenfreund! … Sie feiger Vaterlandsverräter!“ Einige Lichtquellen durchdringen die im Gotteshaus liegenden Nebelschwaden. Mittwochabend diente die Reformierte Stadtkirche Wien als Bühne für „Unsichtbare Mächte – A Phantom Feast for Dietrich Bonhoeffer“ über das Leben des deutschen Widerstandskämpfers und Theologen. Die Inszenierung von Thomas Desi und dem „Zoon“ Musiktheater Wien spiegelt durch das Gefüge von Musik, Raum und Licht die damalige Unsicherheit der Menschen wider.

Der Chor erhebt seine Stimme zu Ehren Gottes, ein Pfarrer, gesprochen von Gottfried Falkenstein, verliest aus dem Matthäus-Evangelium des Neuen Testaments: „Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete“. Während Bonhoeffer verschwunden ist, erscheint seine Verlobte, die Braut Maria, bereit für die Vermählung. Gesungen von Bariton Günter Haumer ist Bonhoeffers Stimme immer wieder zu hören, wie er in Erinnerungen schwelgt und an seine Liebe denkt. Seine Mutter beklagt die Festnahme und den Verlust ihres Sohnes. Maria, dargestellt von der Mezzosopranistin Nina Plangg, wartet sehnsüchtig. Bei jedem Klopfen erschrickt sie und hofft auf das Erscheinen ihres künftigen Gemahls. Letztendlich bleibt ein „schwerer“ Traum: „Herzliebster, bist du tot?“

Die Tragik der Geschichte wird in der einstündigen Aufführung sehr deutlich. Die in Nebel getauchte, finstere Kirche, die tiefen, subtilen Töne der Orgel und die teilweise scharfe Intonation des Oratoriums tragen ihr Übriges zur Dramatik bei. „A Phantom Feast“ soll eine Anspielung auf die Nacht-und-Nebel-Aktionen der Gestapo sein. Mit lautem Klopfen wurden damals die Menschen aus den Wohnungen und Häusern geholt, so Regisseur Thomas Desi. Statt wie sonst üblich den Fokus auf die Helden des Widerstands zu legen, habe er sich mit den Leiden der Angehörigen beschäftigen wollen. Bonhoeffers Verlobte habe auf eine Heirat gehofft und wurde vor dem Traualtar stehend weggeschickt, schilderte Desi seinen Zugang zu der Geschichte.

Dietrich Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 in Breslau geboren. Er wuchs in Berlin auf, studierte Theologie. Mit 21 Jahren war er bereits promoviert, mit 24 habilitiert, ein Jahr später Privatdozent. Dem NS-Regime widersetzte er sich auf religiöser als auch auf politischer Ebene – mit allen Konsequenzen. Am 5. April 1943 wurde der lutherische Theologe festgenommen. In seiner Haft träumte er von einem Leben mit der jungen Maria, wie man aus erhaltenen Briefen weiß. Mit nur 39 Jahren wurde Bonhoeffer am 9. April 1945 als eines der letzten Opfer im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.

(„Unsichtbare Mächte – A Phantom Feast for Dietrich Bonhoeffer“. Weitere Aufführungen von 25. bis 27. Juni um 20.30 Uhr – Reformierte Stadtkirche, Dorotheergasse 16, 1010 Wien – Karten: 0699/19 71 35 03; E-Mail:vasb@mbba.ng, www.zoon.at/)

ISSN 2222-2464

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