30.10.2006

Huber: Religionsgemeinschaften als öffentliches Gewissen

Der Ratsvorsitzende der EKD sprach auf dem Reformationsempfang 2006 über das Verhältnis von Religion und Politik

Der Ratsvorsitzende der EKD sprach auf dem Reformationsempfang 2006 über das Verhältnis von Religion und Politik

Wien (epd Ö) – Festredner des Reformationsempfangs 2006 der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich am 30. Oktober in Wien war heuer Dr. Wolfgang Huber, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und Bischof der Evangelischen Kirche Berlin – Brandenburg – Schlesische Oberlausitz. Er sprach in seinem Vortrag über das Verhältnis von Religion und Politik. Huber vertrat dabei die Ansicht, dass den Religionsgemeinschaften heute die Aufgabe eines öffentlichen Gewissens zukomme, „indem sie in Lehre, Predigt und öffentlichen Erklärungen die persönliche Verantwortung zu wecken und zu fördern versuchen“.

Mit jeder Religion verbinde sich ein umfassender Anspruch, so Huber. Es gebe keine Religion, die ohne Konsequenzen für die Lebensführung bleibe. Insofern habe jede Religion auch eine politische Dimension. Sie betreffe nicht nur das private, sondern auch das öffentliche Leben. In „einem langen und durchaus schmerzhaften geschichtlichen Lernprozess“ hätten die europäischen Gesellschaften gelernt, Toleranz als „das Komplementärprinzip zur Religionsfreiheit“ zu begreifen. Dabei präzisierte Huber religiöse Toleranz als „das Aushalten und Austragen von Differenzen in Anerkennung der Verbindlichkeit von religiösen Überzeugungen“.

Der Bischof hob hervor, dass nach kirchlicher Auffassung nur der religiös neutrale Staat die volle Religionsfreiheit verfassungsrechtlich sichern könne. Zur Frage der religiösen Neutralität erklärte Huber, dass sie eine klare institutionelle Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften voraussetze. „Aber es wäre ein Missverständnis von staatlicher Religionsneutralität, daraus eine Gleichgültigkeit des Staates gegenüber dem Wirken der Religionsgemeinschaften abzuleiten.“ Vielmehr gebe es eine Pflicht des Staates, die Religion „als Bestimmungskraft für das Leben vieler seiner Bürgerinnen und Bürger wahrzunehmen und sie ohne falsche Parteinahme zu fördern“. Die Trennung von Staat und Kirche habe keineswegs zwangsläufig zur Folge, dass das Religiöse aus dem öffentlichen Bereich verbannt werde. Vielmehr erkenne der freiheitliche demokratische Staat die große Bedeutung der Religion im Prozess der Wert- und Überzeugungsbildung an.

Huber gab zu bedenken, dass es die Erinnerung an die Geschichte des Christentums wie an die Geschichte Europas gebiete, „Geduld für die Lernprozesse zu haben, die andere brauchen, wie wir sie selbst gebraucht haben“. Ebenso notwendig sei es, „dass wir alle Formen einer religiösen Legitimation von Gewaltanwendung hinter uns lassen“. Das wären unaufgebbare Voraussetzungen einer gemeinsamen Zukunft, so Huber.

ISSN 2222-2464

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