25.04.2012

Heine: Politik braucht Mut zu Entscheidungen

"Montagsgespräch" über das Verhältnis von Moral und Politik in Wien

"Wieviel Moral braucht die Politik?" fragten sich Kurt Palm, Wolfgang Müller-Funk, Emmy Werner und Susanne Heine.

„Montagsgespräch“ über das Verhältnis von Moral und Politik in Wien

Wien (epdÖ) – „Wie viel Moral braucht die Politik?“ war Thema des Montagsgesprächs der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ am 23. April in Wien. Die Theologin Susanne Heine, die ehemalige Volkstheaterdirektorin Emmy Werner, der Kulturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk und der Autor und Regisseur Kurt Palm diskutierten über Korruption, die Rolle der Medien und die politische Zukunft des Landes.

Vor zu viel Moral in der Politik warnte Susanne Heine. Durch diesen Diskurs werde das politische Geschäft verschleiert. Entscheidungen zu treffen und Interessen auszugleichen sei der Sinn von Politik, so die Theologin. „Moral hingegen verschleiert, dass es Interessen gibt. Dabei müssen diese Interessen auf den Tisch, und dann muss eine Entscheidung getroffen werden.“ Das Problem der Politik heute sei aber, dass Politikerinnen und Politiker dazu nicht bereit seien und vorgäben, sie hätten keine eigenen Interessen, die sie durchsetzen wollen. „Doch wir alle haben Interessen und sind begehrlich, das ist das Verlogene an dem Moraldiskurs“, resümierte Heine. Das enge Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik, aber auch die Ökonomisierung aller Lebensbereiche würden Phänomene wie Korruption begünstigen. Aus religiöser Sicht lasse sich aus alldem folgern, dass der Mensch ein begehrliches Wesen sei, das nicht perfektioniert werden könne. Von daher brauche es klare Regeln und Grenzen sowie Barmherzigkeit für all jene, die gegen diese Regeln verstoßen. „Aber Barmherzigkeit ist als politisches Prinzip unmöglich“, räumte Heine ein.

Vor einer „Instrumentalisierung von Moral“ warnte der Kulturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk. Gefährlich werde es, wenn „Moral selber Teil des politischen Diskurses wird um Macht auszuüben und politische Gegner zu diskreditieren“. Davon, dass die Politik heute korrupter sei als vor einigen Jahren und Jahrzehnten, ist Müller-Funk nicht überzeugt. Dieser Eindruck entstehe vielmehr durch die vermehrte mediale Beobachtung. Gleichzeitig räumte Müller-Funk aber ein, dass Korruption in marktkapitalistischen Gesellschaften extrem wahrscheinlich sei. „Das liegt einfach an ganz speziellen Situationen wie etwa Privatisierungen oder Waffengeschäften.“

„Die Gesellschaft braucht mehr Moral, dann hat auch die Politik mehr Moral“, zeigte sich Emmy Werner überzeugt und kritisierte den Sittenverfall in der Gesellschaft. „Die Politik ist nur ein Spiegel der Gesellschaft.“ Dazu käme, dass die Menschen Gaunern immer schon Respekt und Wertschätzung entgegengebracht hätten. Werner wünsche sich jedenfalls für Österreich in Zukunft eine „Kaiserin“, also eine Führungsperson, die Persönlichkeit, Charisma und Vertrauen in sich vereine. Korruption hingegen bezeichnete sie als „ein großes Verbrechen“, das „niemand braucht“.

Regisseur Kurt Palm widersprach Müller-Funk. Zwar habe es auch früher schon Fälle von Korruption gegeben, diese hätten aber deutlich mit dem Regierungsantritt des ersten blau-schwarzes Kabinetts im Jahr 2000 zugenommen. „Es gab damals einen Quantensprung der Verluderung in der Politik.“

ISSN 2222-2464

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