10.11.2008

Bünker: Kirchen haben Schuld auf sich geladen und Umkehr nötig

Ökumenischer Gottesdienst im Gedenken an die "Reichspogromnacht" vor 70 Jahren

Ökumenischer Gottesdienst im Gedenken an die „Reichspogromnacht“ vor 70 Jahren

Wien (epd Ö) – „Es ist unsere besondere Aufgabe als Christinnen und Christen, als Kirchen, im Einsatz für Humanität und Menschenrechte für alle zu stehen“, sagte der lutherische Bischof Michael Bünker in seiner Ansprache bei dem ökumenischen Gottesdienst „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“ am 9. November in der Wiener Ruprechtskirche. Gewalt sei eine Folge der Rechtlosigkeit und ein „direkter Ausdruck von Ungerechtigkeit“. So lasse sich Gewalt durch Recht und Gerechtigkeit eindämmen, „ja, verhindern und überwinden“. Eine weitere Aufgabe der Kirchen sei das Zeugnis der Treue Gottes, die „für uns das Bekenntnis zu Jesus, dem Juden, einschließt“.

Die evangelischen Kirchen seien „besonders belastet durch die Geschichte. Wir Christinnen und Christen haben nicht nur zugesehen, wie den Jüdinnen und Juden Zug um Zug alle Rechte und zuletzt das bloße Recht auf Leben genommen wurden – ja, wir haben oft genug nicht nur zugesehen, sondern mitgemacht. Gott sei’s geklagt. Wir sind in die Irre gegangen, haben Schuld auf uns geladen und haben Umkehr nötig.“ Das sei kein einmaliger Akt, „sondern ist ein langer und mühevoller Weg, auf dem sich die Kirchen in ihrer je eigenen Betroffenheit, auf ihre je eigene Art und Weise befinden“.

Niemand verlasse sich heute blind auf unsere „so zivilisierte Gesellschaft“. Es brauche „unser aller Wachsamkeit: Rechtsextreme Gesinnung nimmt zu, wird zunehmend akzeptiert und hingenommen.“

Schönborn: Gedenken heißt hinschauen und lauschen auf das Wort Gottes

„Gedenken ist eine Haltung – die Haltung, nicht wegzuschauen, nicht Schuld zu verschieben, nicht sich unschuldig machen“, sagte Kardinal Christoph Schönborn in seiner Ansprache. Gedenken sei eine „Verbeugung vor denen, die vor der Geschichte anders gehandelt haben, die den Opfern in die Augen geschaut haben und die sich getrauten, eine Hand des Mitgefühls auszustrecken.“ So bedeute Gedenken auch das Lauschen auf das Wort Gottes und das „Hinhören auf das Gewissen und das ewige Gesetz der Würde“.

Den Gottesdienst zum Gedenken an die „Reichspogromnacht“ vor 70 Jahren haben mit Bünker und Schönborn auch Metropolit Michael Staikos und Provinzial Gernot Wieser, SJ, gefeiert. Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst vom Chor der Gemeinde St. Ruprecht unter der Leitung von Otto Friedrich, Aries Caces am Klavier und Wilhelm Klebel an der Viola. Im Anschluss an den Gottesdienst folgte ein Schweigegang zum Judenplatz. Dort stellte die Gottesdienstgemeinde Kerzen als Gedenklichter beim Mahnmal für die ermordeten Juden auf.

ISSN 2222-2464

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