28.01.2011

Bünker fordert Anrechenbarkeit ehrenamtlicher Tätigkeiten

Auftakt zum "Jahr des Ehrenamtes" in der evangelischen Kirche - "Freiwillige können nicht alles auffangen, was der Staat nicht mehr zahlen will"

(v.li.:) Gerhild Herrgesell, Michael Bünker, Susanna Hackl, Stefan Kunrath

Auftakt zum „Jahr des Ehrenamtes“ in der evangelischen Kirche – „Freiwillige können nicht alles auffangen, was der Staat nicht mehr zahlen will“

Wien (epd Ö) – Eine prinzipielle Anrechenbarkeit der von Ehrenamtlichen geleisteten Arbeit fordert der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker. Der Staat könne jedenfalls auf die ehrenamtliche Arbeit Tausender von rund 15 Millionen Stunden pro Jahr nicht verzichten; auch könnten Freiwillige nicht alles auffangen, was der Staat nicht mehr zahlen will, sagte Bünker bei einer Pressekonferenz zum Auftakt des „Jahres des Ehrenamtes“, das die evangelische Kirche österreichweit für heuer ausgerufen hat.

„Der internationale Vergleich zeigt deutlich, dass jene Länder mit einer hohen Rate an Ehrenamtlichkeit zugleich jene Länder mit der höchsten Sozialstaatlichkeit sind“, so Bünker. „Wer durch Sparpakete die Sozialbereiche herunterfährt, fährt auch das Ehrenamt herunter. Anders gesagt: Ehrenamt muss man sich leisten können.“

Die evangelische Kirche habe mit ihrer unlängst beschlossenen „Ordnung für die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen“ auf diese Tatsache reagiert und den Ehrenamtlichen kontinuierliche fachliche und persönliche Begleitung und Beratung, geeignete Infrastruktur und etwa auch die familiengerechte Betreuung von Kindern während des ehrenamtlichen Einsatzes zugesagt.

„Schule gelebter Demokratie“

Weiters bietet die Kirche den Ehrenamtlichen Versicherungsschutz und professionelle Fortbildung. Dazu wird derzeit an einer „Evangelischen Ehrenamtsakademie“ gearbeitet, die eine „österreichweite Qualifizierung und möglicherweise Zertifizierung anbieten und damit Standards in den Handlungsfeldern des kirchlichen Ehrenamtes sicherstellen wird“.

Im Jahr 2011, das die EU zum „Jahr der Freiwilligenarbeit“ erklärt hat, will die evangelische Kirche ihren Fokus auf die öffentliche Würdigung Ehrenamtlicher sowie auf Maßnahmen zur Professionalisierung des Ehrenamtes richten. Rund 20.000 Menschen sind derzeit in den Pfarrgemeinden und Einrichtungen der Kirche freiwillig aktiv. Ohne ihre Unterstützung gäbe es die Kirche in ihrer heutigen Gestalt nicht, ist der Bischof überzeugt. Durch die gleichberechtigte Einbindung Ehrenamtlicher sei außerdem die evangelische Kirche zu einer „Schule gelebter Demokratie“ geworden. Bünker unterstrich, dass gerade für den Staat ehrenamtliche Arbeit unerlässlich sei. Müsste dieser die Aufgaben der Ehrenamtlichen übernehmen, käme das „sehr teuer“. Insofern gebühre diesen Freiwilligen mehr Anerkennung und Beistand seitens der Politik sowie der Bürgerinnen und Bürger.

Mit dem „Sonntag des Ehrenamts“ am 30. Jänner werden Pfarrgemeinden auf die Arbeit der Ehrenamtlichen aufmerksam machen. In den Gottesdiensten wird auch der Hirtenbrief des Bischofs verlesen, in dem er auf das „Jahr des Ehrenamtes“ eingeht. Weitere Akzente in dem Jahr sollen – neben zahlreichen Aktivitäten auf lokaler und diözesaner Ebene – ein Frühjahrskongress im April unter dem Titel „Evangelisch engagiert – begeistert im Ehrenamt“ sein, eine österreichweite PfarrerInnen-Tagung zum Thema „Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen“ sowie – als Höhepunkte – die für den Herbst vorgesehenen Gemeindevertretungs- und Gremienwahlen. Bünker: „Unser Wunsch ist es, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, sich bei den Wahlen zu engagieren und sich für die nächste Funktionsperiode zur Verfügung zu stellen.“

Die evangelische Kirche könne gar nicht ohne Ehrenamtliche funktionieren, betonte auch die stellvertretende Landeskuratorin Gerhild Herrgesell, die ehrenamtlich der gesamtösterreichischen Kirchenleitung angehört. Jeder und jede Geistliche in der Kirche habe ein weltliches Gegenüber. „Diese Struktur ist manchmal etwas mühsam, sie bringt aber sehr viel Spannung im positiven Sinn“, so Herrgesell. Die Struktur schaffe Bodenhaftung und ermögliche neue Zugänge, denn alle Ehrenamtlichen in der Kirche haben oder hatten einen Beruf und würden ihre spezifischen Erfahrungen mitbringen.

Dank an Familie und Freunde

„Was ich mir wünsche, ist, dass es ein Recht auf ‚Bildungstage‘ gibt. Arbeitnehmer sollten keine Nachteile erfahren, wenn sie sich Tage für die Fortbildung freinehmen. Es sollte eine Anrechnung geben auf die Pensionszeit und eine wirklich gute Dokumentation der geleisteten ehrenamtlichen Arbeit für die Zivilgesellschaft, etwa für Bewerbungen“, fordert Susanna Hackl, Vorsitzende der Evangelischen Frauenarbeit im Burgenland, und seit vielen Jahren auf verschiedenen Ebenen der Kirche ehrenamtlich aktiv.

Der ehrenamtliche Polizeiseelsorger Wiens und Lektor Stefan Kunrath, ebenfalls „seit unzähligen Jahren“ freiwillig in der kirchlichen Arbeit tätig, bedankte sich bei Angehörigen von Ehrenamtlichen: „Ein Dank geht mir ab: der Dank an die Angehörigen der vielen freiwilligen Helfer und Helferinnen. Denn man muss bedenken, dass Familie und Freunde oft verzichten müssen auf jene, die ehrenamtliche Arbeit leisten.“

ISSN 2222-2464

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