04.11.2010

Basisbewegung „Way of Hope“ präsentiert 26 Initiativen gegen die Krise

Fery Berger: Wollen etwas bewegen - Herwig Sturm: Zeichen stehen auf Veränderung - Tarafa Baghajati: Gemeinsame Werte als Basis der Verständigung - Helga Kromp-Kolb: Ökologische Selbstverpflichtung - Christian Felber: Mehr Demokratie

Der frühere evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm

Fery Berger: Wollen etwas bewegen – Herwig Sturm: Zeichen stehen auf Veränderung – Tarafa Baghajati: Gemeinsame Werte als Basis der Verständigung – Helga Kromp-Kolb: Ökologische Selbstverpflichtung – Christian Felber: Mehr Demokratie

Wien (epd Ö) – „Wir wollen etwas bewegen. Wir wenden uns an alle, die einen grundsätzlichen Wandel in der Gesellschaft wünschen und die sehen, dass dieser Wandel nicht vom etablierten politischen System kommen kann“, sagt Fery Berger. Vor einem Jahr hat der katholische Theologe und Gründer der „Weizer Pfingstvision“ den „Way of Hope“ initiiert. Die überparteiliche und überkonfessionelle Bewegung versteht sich als „Plattform, um zukunftsträchtige Projekte zu vernetzen“, so Berger am Donnerstag, 4. November, vor Journalisten in Wien. Spirituell verwurzelte Menschen hätten die Kraft, gerade in schwierigen Zeiten „gegen den Strom zu schwimmen“. Um den Weizer Theologen haben sich inzwischen 40 renommierte Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur und Religion gefunden, die die Initiative als „Wegbegleiter“ unterstützen. Kürzlich sind bei dem bereits zweiten Treffen in Weiz 300 MultiplikatorInnen zusammengekommen. Als Ergebnis konnte Fery Berger 26 konkrete „Initiativen für Österreich“ präsentieren, deren Bandbreite von alternativen Wirtschaftsmodellen, einem Abzeichen für ökologische Selbstverpflichtung, einem „Spenden-Versprechen“ von Milliardären, einem österreichweiten „Tag der Meditation“ am 8. Dezember 2011 oder interreligiösen Begegnungen bis hin zu römisch-katholischen Reformen („Mitbestimmung des Kirchenvolks bei der Suche nach Bischofskandidaten“) reicht.

„Die Zeichen der Zeit stehen auf Veränderung“, sagte der frühere evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm, es brauche jedoch „Zuversicht und Mut, um das, was wir alle wissen, endlich einmal zu tun“. Sturm ist als „Wegbegleiter“ „fasziniert von der Buntheit der vertretenen Personen“. Im interreligiösen Gespräch entstehe eine „neue Wirklichkeit der Offenbarung“. Ziel dieses Dialogs sei es nicht, jemanden zum Übertritt zu bewegen, sondern die spirituellen Erfahrungen gegenseitig wahrzunehmen und „das, was jeder Religion kostbar ist, mitzutragen auf einem gemeinsamen Weg“. Die Religionen haben nach den Worten Sturms lange Traditionen, durch Loslassen frei zu werden für das Wesentliche. Mehr Genügsamkeit könne zu höherer Lebensqualität führen. Religionen könnten somit wesentlich dazu beitragen, „einen nachhaltigen und zugleich erfüllenden Lebensstil als Einzelne wie auch in neuen Gemeinschaften zu entwerfen“, so Sturm.

Gemeinsame Wertebasis

Auf die Gefahren der Islamfeindlichkeit als eines neuen „kulturellen Rassismus“ wies Tarafa Baghajati hin. Begriffe wie „Leitkultur“ oder „christliche Werte“ würden oft eindeutig in Abgrenzung gegenüber Muslimen verwendet. Die implizite Botschaft, es handle sich hier um grundsätzlich verschiedene Werte, ist laut Baghajati jedoch falsch. Werte wie Menschenwürde, Selbstbestimmung, Frauenrechte oder Meinungsfreiheit sieht er als gemeinsame, „universelle“ Basis unabhängig von verschiedenen Lebensstilen. Der Muslim-Vertreter sprach sich für interreligiöse Begegnungen aus, mit dem „Ziel, den sozialen Zusammenhalt zu stärken“. Wesentlich dabei sei es, möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen und Schichten zu erreichen und sich nicht nur innerhalb eines Kreises von Personen zu bewegen, „die sich ohnehin verstehen“. Es brauche einen möglichst konkret werdenden „Dialog des Handelns“ mit Vernetzungen zwischen religiösen zivilgesellschaftlichen Initiativen und gemeinsamen sozialen Projekten.

Klimaschutz: „Viel gesprochen, wenig getan“

Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb stellte beim Pressegespräch eine Initiative zum Klimaschutz vor. In der Politik werde „viel gesprochen und wenig getan“. Nun sollen auf dem „Way of Hope“ ein eigenes Abzeichen und ein „Öko-Pass“ die ökologische Selbstverpflichtung sichtbar machen. Konkrete Schritte für den Klimaschutz könnten laut Kromp-Kolb etwa Konsumverweigerung bei umweltschädigenden Produkten sein, Urlaubsreisen ohne Auto oder CO2-reduzierende Maßnahmen, die allesamt notiert würden und über einen längeren Zeitraum als Erfolgsnachweis dienen könnten. Austausch via Internet solle motivieren und Detailhinweise geben. Bewusster Verzicht geht mit einem Zugewinn an Lebensqualität einher, ist die Wissenschaftlerin überzeugt.

Gemeinwohl statt Gewinnmaximierung

Gleich drei Initiativen stellte „attac“-Sprecher und Autor Christan Felber vor: Die in seinem jüngsten Buch beschriebene „Gemeinwohl-Ökonomie“ als ein alternatives Wirtschaftsmodell zu Kapitalismus und Kommunismus, das die „Systemspielregeln“ von Gewinnstreben und Konkurrenz negiere, werde mittlerweile von 120 Unternehmen in fünf verschiedenen Ländern unterstützt. Dabei werde durchaus auch unternehmerischer Erfolg erzielt – messbar durch eine „Gemeinwohl-Bilanz“: „Wer sich sozial verantwortlich, ökologisch nachhaltig, demokratisch und solidarisch verhält, erhält in der ‚Gemeinwohl-Ökonomie‘ Vorteile gegenüber anderen, die dies weniger tun“, so Felber (Info: www.gemeinwohl-oekonomie.org).

Ein weiteres Projekt ist die „Demokratische Bank“, die sich auf das Kerngeschäft von Kreditinstituten beschränkt. Seit Juni arbeitet laut Felber ein stark wachsender Kreis engagierter Personen der Zivilgesellschaft, darunter auch zahlreiche Banker, an der für 2011 geplanten Realisierung (Info: www.demokratische-bank.at). Mehr Demokratie in Bezug auf Mehrheitsanliegen wie Patentverbot auf Leben, Schließen von Steueroasen oder Vermögenssteuer soll schließlich ein nun auch in Österreich aktiver deutscher Verein (Info: www.mehr-demokratie.at) erwirken. „Da Parlament und Regierung immer öfter den zum Teil in erfolgreichen Volksbegehren ausgedrückten Mehrheitswillen ignorieren, braucht es effektivere Mitspracherechte für den demokratischen Souverän, auch zwischen den Wahlterminen“, so Felber. Ein erster Schritt wäre „direkte Demokratie“. Diese dürfte sich allerdings nicht gegen den Grundkonsens des Schutzes der Menschenwürde und der Menschenrechte richten.

ISSN 2222-2464

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