12.06.2006

Wirtschaft im Dienst des Lebens: Beirat tagte in Wien

„Mit gut gemeinten Worten wird man Verantwortung nicht gerecht“

„Mit gut gemeinten Worten wird man Verantwortung nicht gerecht“

Wien, 12. Juni 2006 (epd Ö) – „Glaube bewährt sich in verantwortungsvoller Tat. Mit gut gemeinten Worten wird man der Verantwortung nicht gerecht.“ Das erklärte der bayerische Kirchenrat Thomas Prieto Peral bei der Sitzung des Beirates für „Wirtschaft im Dienst des Lebens“, der am Samstag im Evangelischen Zentrum im Wien tagte. Der Beirat begleitet innerhalb der Evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich den gleichnamigen weltweiten kirchlichen Bekenntnisprozess, der sich mit den Folgen der Globalisierung befasst. Koordiniert wird die Arbeit vom Kärntner Pfarrer Norman Tendis. Weltweit wird der Prozess getragen vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Lutherischen Weltbund, dem Reformierten Weltbund und der Konferenz Europäischer Kirchen.

Prieto Peral, der im Ökumenereferat der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern tätig ist, ging in seinem Referat auf die Ethik Bonhoeffers ein. Der Verantwortungshorizont müsse weiter gezogen werden. „Den Christen rufen nicht erst die Erfahrungen am eigenen Leibe, sondern die Erfahrungen der Brüder, um deretwillen Christus gelitten hat, zur Tat und zum Mitleiden“, zitierte Prieto Peral den großen evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer. Die neoliberale These, dass „alles klappt, wenn jeder an sich selbst denkt“, funktioniere nicht. Die Illusion, die Krisen wären „weit genug weg“, sei das „Narkotikum für das Engagement in der Gegenwart“, so der Kirchenrat. Die Frage sei nicht, „wie wir uns aus der Affäre ziehen, sondern wie die kommende Generation weiterleben kann“.

Fraglose Orientierung an Eigeninteressen

Das „Dasein für andere“ bilde die tiefste Dimension des Menschseins und des Christentums. Die ChristInnen und ihre Kirchen seien aufgerufen zur gerechten Verwandlung der Weltwirtschaft, weg von Mechanismen, die sich immer fragloser an Eigeninteressen orientieren. Dabei könne christliche Spiritualität die „geistliche Tiefendimension“ ausleuchten, die die Wirtschaft prägt. Prieto Peral forderte eine „theologisch-spirituell fundierte offensive Auseinandersetzung“ mit den geistig-religiösen Grundlagen des Neoliberalismus und wandte sich entschieden gegen die verbreitete Rede von der „unsichtbaren Hand“ des freien Marktes, die alles regeln würde. Kirchen müssten sich der Frage stellen, wo sie ihr „Dasein für andere“ leben. Ökumenische Papiere erschöpften sich oft in flachen Appellen, die „heiße Luft produzieren“. Die Ebene des konkreten Handelns fehle. Letztlich eine Frage der Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft, analysierte der Kirchenrat, der sich „sehr wohl bewusst“ ist, dass das „Einlösen von Maximalforderungen“ in einer Volkskirche schwierig ist. Wichtig sei jedoch, auch als Kirche das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen.

Essentiell für eine glaubwürdige Auseinandersetzung mit der neoliberalen Globalisierung sei das Ökumene-Modell der versöhnten Verschiedenheit, die jedoch immer schwieriger ihre eigene Identität finde. Die Option Gottes für die Armen müsse auch zum „konstruktiven Dialog mit den Reichen“ führen, meinte der Kirchenrat weiter. Der Entfremdung als einem der gravierendsten Merkmale der Globalisierung können die Kirchen „geistliche Beheimatung“ entgegensetzen. „Im Vertrauen, auch vor Ort etwas bewirken zu können“ liege die große Chance der Kirchen.

Scheinwelt globaler Marken

Kritisch äußerte sich Prieto Peral zum globalen Marken-Marketing, eine „Scheinwelt, die durch gezielte Kampagnen entlarvt“ werden müsse. Bündnisse und Vernetzung sieht der Kirchenrat als ideale Werkzeuge globalisierungskritischer Arbeit. Prieto Peral: „Die Erfolgsgeschichte ist immens.“

Nachdem seine Arbeit in den letzten Monaten vor allem durch eine rege Vortragstätigkeit in Pfarrgemeinden geprägt war, will der Österreich-Koordinator des Prozesses „Wirtschaft im Dienst des Lebens“, Pfarrer Tendis, nun einen anderen Akzent setzen: „Wir wollen erheben, wo wir als Kirche stehen.“ Zudem will Tendis verstärkt öffentliche Stellungnahmen vorbereiten.

ISSN 2222-2464

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