27.11.2009

„Wir machen weiter“ – 20 Jahre Diakonie Flüchtlingsberatung in Traiskirchen

Christine Hubka: Dynamik, die nicht zu bremsen war - Michael Chalupka: Wollen, dass Rechtsstaatlichkeit herrscht

Christine Hubka mit M. Bubik (re) und K. Lauermann (li)

Christine Hubka: Dynamik, die nicht zu bremsen war – Michael Chalupka: Wollen, dass Rechtsstaatlichkeit herrscht

Traiskirchen (epdÖ) Ende August hatte das Innenministerium die Finanzierung der Diakonie Flüchtlingsberatungsstelle in Traiskirchen eingestellt. „Wir machen weiter“ – unter diesem Motto feierte die evangelische Beratungsstelle am Freitag ihr 20jähriges Bestehen. „Es ist eine schwierige Situation für uns, aber wir machen weiter, weil wir nicht aufhören können“, sagte der Leiter des Diakonie Flüchtingsdienstes, Christoph Riedl.

Den Grund für das weitere Engagement sieht Diakoniedirektor Michael Chalupka nicht nur in der Tradition Österreichs als Land, das Flüchtlingen Schutz gibt. Anfangs seien in Traiskirchen Pfarrerin Christine Hubka, die spätere Leiterin der Beratungsstelle Gertrude Hennefeld oder der Mitarbeiter der ersten Stunde, Shukri Krunz, für diese Tradition eingestanden. Heute liege es in den Händen der Zivilgesellschaft, diese Arbeit aufrecht zu erhalten. „Wir lassen uns diese Tradition durch politische Umstände nicht aus der Hand nehmen“, so der Diakoniechef beim Festakt im Traiskirchner Rathaus. Erst das Engagement Ehrenamtlicher und die Spenden schafften die Möglichkeit, diese unabhängige Beratungstätigkeit fortzuführen, „auch wenn es schwieriger wird“. Letztlich gehe es auch um den Schutz der Verfassung. „Wir wollen, dass in unserem Land Rechtsstaatlichkeit herrscht, weil uns Menschen anvertraut sind. Das ist unser Auftrag, der von Jesus Christus kommt und nicht von einem Ministerium“, unterstrich der Diakoniedirektor.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker betonte, dass „die gesamte evangelische Kirche“ hinter der Arbeit in Traiskirchen stehe. Aus einer lokalen Initiative der damaligen Pfarrerin Christine Hubka, die 1988 die Kirchentür für Flüchtlinge geöffnet hatte, sei eine gesamtkirchliche Aufgabe gewachsen. Die evangelische Kirche sei geprägt von Flüchtlingen, in der Geschichte der Kirche seien viele Mitglieder selber zu Flüchtlingen geworden. Die Sorge um Flüchtlinge sei elementarer Teil der biblischen Botschft. „Ich wundere mich, dass ein Land, dass so auf seine christliche Tradition pocht, wenn es etwa um Symbole geht, in Aufruhr ist, wenn ein Panda übersiedelt wird. Gleichzeitig nimmt man aber hin, dass eine gut integrierte junge Frau abgeschoben werden soll.“

Der Traiskirchner Bürgermeister Fritz Knotzer gratulierte der Beratungsstelle zu ihrem Jubiläum und sprach sich für den „menschlichen Weg der Mitte aus“. „Wir haben uns immer gewehrt, wenn die Unterbringung der Asylwerber unmenschlich wurde“, so der Bürgermeister, der sich mehr Solidarität von anderen Gemeinden wünscht: „Wenn jede Gemeinde eine Familie zu integrieren versuchte, wären viele Probleme gelöst.“

Von den Anfängen des evangelischen Engagements in Traiskirchen berichteten Christine Hubka, Gertrude Hennefeld, Shukri Krunz und Michael Bubik. „Damals, 1988, lagen Menschen, junge, alte, ganze Familien, tagelang auf der Straße“, erinnerte sich Hubka, deren Pfarrhaus sich direkt neben der staatlichen Einrichtung für AsylwerberInnen befand: „Mit dem Öffnen unserer Tore haben wir eine Dynamik geöffnet, die nicht zu bremsen war“.

Gertrude Hennefeld, die im Mai 1989 dann Leiterin der neu gegründeten Beratungsstelle wurde und gemeinsam mit Hubka 1993 für ihr Engagement den Bruno Kreisky Preis erhielt, sprach von „Versuchen auf uns politischen Druck auszuüben, wir waren Sand im Getriebe“. „Gemeinsam erreicht man mehr“, sagte Anny Knapp, Obfrau der Asylkoordination Österreich in dem von Kurt Lauermann moderierten Gespräch. Christoph Steinwendtner vom Flüchtingsdienst warnte vor weiteren Verschärfungen, die durch dass neue Gesetz drohten: „Die Verschärfungen treffen immer die falschen“. „Wir brauchen einen Bewusstseinswandel“, betonte Christoph Riedl, „und eine Politik, die zu einem differenzierten Sprachgebrauch findet“. Hilfe suchende Menschen seien „einem System ausgeliefert, in dem sie sich nicht zurechtfinden“. Michael Bubik appellierte an die Kirchen, angesichts des beginnenden Wiener Wahlkampfes „klarzumachen, dass nicht auf dem Rücken jener Menschen, gegen die gehetzt wird, Wählerstimmen gewonnen werden dürfen“.

Bei dem Festakt, den ein Ensemble der Johann Sebastian Bach-Musikschule umrahmte, erzählten ehemalige Flüchtlinge von ihrem Aufenthalt im Lager Traiskirchen und der Hilfe, die sie durch die Diakonie erfahren hatten. Heute studiert die ursprünglich aus Afghanistan stammende Marjam Rassouliar an der Universität Wien und lernt gerade ihre siebente Fremdsprache. Sonja Chatschatrian musste 2001 aus Armenien flüchten. Heute arbeitet die frühere Lehrerin als Pflegehelferin, „weil ich so wieder etwas von dem zurückgeben kann, was ich hier an Positivem erfahren habe“.

ISSN 2222-2464

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