15.02.2006

Weltkirchenrat nahm Beratungen auf

Luise Müller und Michael Bubik vertreten Evangelische Kirche in Österreich bei Vollversammlung in Porto Alegre – Differenzen zwischen Protestanten und Orthodoxen

Luise Müller und Michael Bubik vertreten Evangelische Kirche in Österreich bei Vollversammlung in Porto Alegre – Differenzen zwischen Protestanten und Orthodoxen

Porto Alegre/Innsbruck/Wien (epd Ö) – Unter dem Eindruck des Karikaturenkonflikts mit dem Islam und innerer Spannungen hat der Weltkirchenrat (ÖRK) am 14. Februar in Brasilien seine Vollversammlung eröffnet. Schwerpunkte der Beratungen von 4000 Teilnehmern aus aller Welt sind die Verpflichtung der Christen zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit, ihr Zeugnis zur Überwindung von Gewalt und die Herausforderungen in einer Zeit religiöser Pluralität. An der bis 23. Februar dauernden Großveranstaltung unter dem Motto „In Deiner Gnade, o Gott, verwandle die Welt!“ nimmt auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christenheit, teil. Der brasilianische Präsident Luiz Inacio „Lula“ da Silva wird vor den Delegationen sprechen.

Die Evangelische Kirche in Österreich vertreten bei der Vollversammlung die Superintendentin der Diözese Salzburg/Tirol, Mag. Luise Müller, und der Leiter des Evangelischen Flüchtlingsdienstes, MMag. Michael Bubik.

Am Wochenende hatten Müller und Bubik in Sao Paulo die „Casa Mateus“ besucht, ein Hilfsprojekt, das seit längerem von der evangelischen Aktion „Brot für Hungernde“ unterstützt wird. Die Spannungen zwischen Orthodoxen und Protestanten werden auch die Vollversammlung prägen, rechnet Müller. Ein Plenum werde sich etwa auch der Frage widmen „Wie sind wir Kirche? – Sind wir Kirche oder sind wir Teil der Kirche?“, so die Superintendentin vor ihrem Abflug gegenüber epd Ö. Persönlich erwartet sich Müller durch die zahlreichen Gespräche, Besuche und Kontakte mit lateinamerikanischen Kirchen eine „Horizonterweiterung“.

„Das Christentum macht radikale Veränderungen durch“, hieß es in einem Papier, das vor Beginn der Diskussionen in Porto Alegre veröffentlicht wurde. „Während das Christentum offenbar in einigen Teilen der Welt zurückgeht, ist es in anderen zu einer dynamischen Kraft geworden“. Der 1948 gegründete Weltkirchenrat („Ökumenischer Rat der Kirchen“) mit seiner Zentrale in Genf ist ein Zusammenschluss von 347 protestantischen, anglikanischen, orthodoxen, altkatholischen und anderen christlichen Kirchen, die insgesamt rund 600 Millionen Gläubige repräsentieren. Die Römisch-katholische Kirche ist nicht Mitglied, arbeitet aber mit dem Rat zusammen. Rom entsendet den deutschen Kurienkardinal Walter Kasper, den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, nach Porto Alegre, wo seit 2001 bereits dreimal das „Weltsozialforum“ getagt hat.

Die Weigerung, von „überheblichem Nationalismus und verschwenderischem Konsumverhalten“ abzulassen, hat der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. in einem Papier für die Vollversammlung angeprangert. Innere Verwandlung setze radikale Veränderung voraus. „Wann werden wir die offensichtliche Irrationalität militärischer Angriffe, innerstaatlicher Konflikte und rassistischer Intoleranz erkennen, die alle Ausdruck eines tiefen Mangels an Ideen und Willenskraft sind?“, fragt der Patriarch.

Zuletzt hatte die Vollversammlung 1998 in der simbabwesischen Hauptstadt Harare getagt. Referenten in Porto Alegre sind Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu (Südafrika), Rigoberta Menchu (Guatemala) und Adolfo Perez Esquivel (Argentinien). Die liberale und „verwestlichte“ Haltung der Protestanten, insbesondere in Fragen der Homosexualität, ist auf heftige Ablehnung seitens der Orthodoxen gestoßen. Mehrere orthodoxe Gliedkirchen sind aus dem Weltkirchenrat ausgetreten oder haben ihre Mitarbeit eingestellt. Dass 1998 überhaupt orthodoxe Delegationen an der Vollversammlung in Harare teilnahmen, war das Ergebnis des Einsatzes des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, der sich damit gegen die Wünsche des Moskauer Patriarchats durchzusetzen vermochte.

Die internen Streitigkeiten drohen aus Sicht der lutherischen Landesbischöfin Margot Käßmann (Hannover) den ÖRK zur Bedeutungslosigkeit zu verurteilen. „Er muss sich nun entscheiden, ob er eine zukunftsweisende Rolle in der Ökumene spielen will oder ob er sich darauf beschränkt, die Beziehungen unter den Mitgliedskirchen zu pflegen und dann irgendwann bedeutungslos zu werden.“ Sie protestierte gegen den Beschluss, dass auf Druck der orthodoxen Kirchen künftig auf gemeinsame ökumenische Gottesdienste von Protestanten und Orthodoxen verzichtet wird. Wegen der Auseinandersetzungen zwischen dem Protestantismus und der Orthodoxie sei der ÖRK derzeit eher gelähmt, sagte Käßmann.

ISSN 2222-2464

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