13.11.2002

Weiterhin eckig und kantig – Bildung die bewegt

Evangelische Akademien Wien und Kärnten feiern 50-jähriges Jubiläum

Evangelische Akademien Wien und Kärnten feiern 50-jähriges Jubiläum

Wien/Klagenfurt, 13. November 2002 (epd Ö) „Wir werden weiterhin eckig und kantig leben, und nicht konfliktscheu sein, sondern Konflikte austragen“, sagte der Präsident der Evangelischen Akademie Wien, Wilhelm Dantine, in seiner Begrüßungsrede am Freitag Abend in der Evangelischen Akademie anlässlich der 50-Jahr-Feier der Einrichtung. Dantine: „In diesen Zeiten ist eine Auseinandersetzung mit politischen Fragen zu Kirche und Demokratie geradezu gesucht.“ Bei der Festenquete am 8. und 9. November mit dem Titel „Aufbrüche und Umbrüche“ setzten sich prominente VertreterInnen aus Gesellschaft, Kirche, Politik und Wissenschaft mit „entscheidenden Fragen von Gegenwart und Zukunft“ auseinander, so die Veranstalter.

Ritter-Werneck: Akademie als Schnittstelle für Gruppen in der Zivilgesellschaft

„Wir haben zu vier Diskussionen eingeladen, in denen wir wichtige gesellschaftspolitische Fragen behandelt haben“, so Mag. Roland Ritter-Werneck gegenüber epd Ö. In den Themen spiegelten sich auch die bisherigen Schwerpunkte unserer Akademiearbeit: der Zustand der öffentlichen Meinung, die Zukunft der Demokratie, die Eroberung des Körpers und die soziale Zukunft.“

Die Evangelische Akademie Wien verstehe sich als Schnittstelle, „in der Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Kirche und Zivilgesellschaft miteinander ins Gespräch kommen können,“ so der ehemalige Pfarrer. Evangelische Erwachsenenbildung brauche einen öffentlichen Raum, „in dem aktuelle und kontroverse Themen aufgegriffen und diskutiert werden können“, erklärt Ritter-Werneck. „Mit dem Besuch der Veranstaltungen bin ich sehr zufrieden.“

Gegenreformation hat Klima der Konfliktvermeidung geschaffen

„Die Gegenreformation hat Österreich enorm geschadet“, sagte Univ.Prof. Dr. Susanne Heine bei dem Podiumsgespräch „Zum Zustand öffentlicher Meinung in Österreich“ am 8. November. Die Professorin für Praktische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Wien: „Durch die Gegenreformation wurde das religiös Korrekte auch das politisch Korrekte“. Dadurch sei ein Klima der Konfliktvermeidung entstanden. „Wenn es einen Konfliktstau gab, dann wurde dieser immer von oben gelöst“.

Starre Herrschaftsformen im Fernsehen

Dies sei der Grund, warum in Österreich „ein Zynismus gegen die Obrigkeit entstanden sei“, stimmte Peter Huemer vom ORF-Hörfunk zu. Der ehemalige Club 2-Moderator führte den großen Erfolg der ehemaligen Club 2-Diskussionssendung teilweise auch darauf zurück, „dass wir einen Regelverstoß unternommen haben, indem alles zum Thema werden konnte. Und das live“. Denn die starren Herrschaftsformen hätten sich im Fernsehen viel länger gehalten als in den Universitäten.

Gegen den „kosmopolitischen Provinzialismus“ wehrte sich Univ.Prof. Dr. Konrad Paul Liessman vom Institut für Philosophie der Universität Wien. Immer heiße es, „Österreich sei das einzige Land, dem es schlecht geht, und in allen anderen Ländern gibt es aufgeklärte Bürger. Das stimmt nicht.“ Er halte die österreichische Ambivalenz der Obrigkeit gegenüber für einen „großen Vorteil für Modernisierungsprozesse.“ Die „österreichische Lockerheit“ sei eine Form des Selbstbewusstseins.

Philosoph Heintel: Wie wichtig ist noch der Inhalt?

„Wie wichtig ist eigentlich noch der Inhalt?“ fragte Univ.Prof. Dr. Peter Heintel von der Universität Klagenfurt. Der Philosoph wies darauf hin, „dass die Entpolitisierung unheimlich leicht vonstatten geht: wir sind zutiefst unpolitische Menschen“. Das Infotainment der USA sei nach Europa „herübergeschwappt“. Demokratie sei „per se populismusanfällig, weil sie sich in bestimmten Zeitabständen nach Mehrheiten richten will.“

Moderiert wurde das Podiumsgespräch von der ORF-Journalistin Dr. Rubina Möhring.

Bildung, die bewegt – Die Evangelische Akademie Kärnten feierte ihr 50-jähriges Bestehen

„Ein wesentliches Anliegen der Evangelischen Akademie Kärnten ist es von Anfang an, ein Forum des Dialogs für Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche zu schaffen. Wir wollen eine offene Tür für Fragende und Suchende sowie ein Forum des Gesprächs zwischen Kirche und Gesellschaft sein“, betonte Akademieleiter Pfarrer Mag. Martin Müller anlässlich der 50-jährigen Bestehens der Evangelischen Akademie Kärnten (EAK) am 8. November im Wappensaal des Landhauses in Klagenfurt.

Bischof Herwig Mag. Sturm betonte bei dem Festakt : „Glaube braucht Bildung, und Bildung braucht Glauben, die Evangelische Akademie gibt in diesem Zusammenhang Orientierung und Ziel. „In seiner Festrede sprach Friedrich Schorlemmer, Pfarrer und Leiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, von einer Kirche, die bewegt, weil ihre „Werkzeuge“, etwa die Akademien, Wahrheiten ansprechen, nach ihr forschen und sie weitergeben können. Schorlemmer erinnerte an Worte des Kirchenvaters Augustinus: „Kirche, die bewegt muss Unruhestifter zurechtweisen, Kleinmütige trösten, sich der Schwachen annehmen, Gegner widerlegen, sich vor Nachstellern hüten, Ungebildete lehren, Träge wachrütteln, Streitende besänftigen, Armen helfen, Unterdrückte befreien, Gute ermutigen, Böse ertragen und alle lieben.“

Die Angebote des EAK sind traditionell ökumenisch orientiert. So wurde im Rahmen der EAK im Jahr 1967 der erste ökumenische Gottesdienst in Kärnten gefeiert. „Wir versuchen die gegenwärtigen gesellschaftlichen Fragen, besonders der Familie, aus christlicher Sicht zu beantworten“, erklärt Martin Müller. Die Akademie bietet jährlich rund 20 Veranstaltungen zu Themen wie Glaube, Familie, Spiritualität, Gesellschaft und Ökologie sowie sowie zu Fragen der Kunst und Literatur an.

ISSN 2222-2464

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