29.10.2008

Vom Christbaum zur Ringstraße

Neues Buch zeigt das evangelische Wien

Neues Buch zeigt das evangelische Wien

Wien (epd Ö) – Evangelische Prominentenbiografien und ihre Bedeutung für die Geschichte Wiens stehen im Mittelpunkt des neuen Buches „Vom Christbaum zur Ringstraße“, das am Dienstag, 28. Oktober, im Wiener Albert Schweitzer Haus präsentiert wurde. In dem reich bebilderten Band porträtieren die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Diözese A.B. Wien, Pfarrerin Monika Salzer, und der langjährige Wiener Pfarrer und frühere reformierte Landessuperintendent Peter Karner Personen, die nach dem Toleranzpatent 1781 und zunehmend dann im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts Wien, seine Kultur und Wirtschaft entscheidend mitgestaltet haben.

Der Weltstar Oskar Werner war ebenso evangelisch wie Theodor von Billroth und Ernst Wilhelm von Brücke, Begründer der Physiologie in Wien und Lehrer von Sigmund Freud. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein wäre nicht ohne seinen evangelischen Vater Karl Wittgenstein zu denken, der als Stahlmagnat der Habsburgermonarchie die österreichische Industrie nachhaltig entwickelt hat. Sein protestantischer Bruder Louis verwaltete sein Geld und gründete Sozialprojekte für Kinder. Die Salons von Alma Mahler-Werfel, Ottilie von Goethe, Grete Wiesenthal und jene der Familien Gerold, Fries und Geymüller gaben Wien wichtige Impulse. Bewundert wurden die Heroinen der Burg wie Charlotte Wolter, Adele Sandrock und Hedwig Bleibtreu, bekämpft die Frauenrechtlerinnen Marie Lang und Iduna Laube.

Universität, Burgtheater und Prater

„Das weltberühmte Neujahrskonzert findet in einem der schönsten Konzertsäle der Welt statt – erbaut vom evangelischen Ringstraßenarchitekten Theophil von Hansen, der Wien ebenso maßgeblich geprägt hat wie sein ebenfalls evangelischer Schüler Otto Wagner“, erzählte Monika Salzer bei der Vorstellung des Buches. Neben der Sammlung all dieser Biografien aus den verschiedensten Bereichen beschäftigt sich das AutorInnenduo mit Themen wie der evangelischen Identität und den jüdischen Konvertiten, bietet zusätzlich ein umfangreiches Namensverzeichnis und zeigt beispielhaft, wie ausgeprägt der Anteil der Protestanten vor allem rund um das Wiener Burgtheater, den Prater und die Universität war.

Gerade in diesen drei Bereichen musste man, um beruflichen Erfolg zu haben, nicht verwurzelt sein, sagte der Direktor des Wien Museums, Wolfgang Kos, bei der Präsentation. Im Buch fänden sich viele Namen, „die in die Herzgegend des typisch Wienerischen gehören“. Das Buch sei geschrieben worden, „damit es keine weitere Gegenreformation durch Vergessen gibt“, meinte die Autorin Monika Salzer. Es sei ein „evangelisch-patriotisches Buch“, befand Peter Karner. Man könne „stolz sein, dass evangelische Menschen hier Außerordentliches geleistet“ hätten.

Die „prägende Kraft des Evangeliums“ drücke sich in Einzelpersönlichkeiten aus, sagte der lutherische Bischof Michael Bünker. Die Säkularität sei wesentliches Kennzeichen protestantischer Spiritualität, das Adjektiv „evangelisch“ stehe für hohe Kompetenz in den jeweiligen Bereichen. Das Buch betrete „weithin unbekanntes Land“, meinte der Bischof, vielleicht brauche es neben den positiven Überraschungen auch eine „Ergänzung der dunklen Protestanten“.

Die Verbindung zwischen Calvinismus und Kapitalismus – „ein Vorurteil, das wir abbauen wollen“ – finde in diesem Buch neue Nahrung, sagte der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld. Gleichzeitig werde jedoch auch die starke soziale Verantwortung der evangelischen Unternehmerfamilien deutlich. Diese soziale Verantwortung sei „nicht ein Bereich, sondern Nagelprobe evangelisch-reformierter Identität“, betonte der Landessuperintendent im Gespräch mit dem ORF-Journalisten Udo Bachmair.

Der Wiener Superintendent Hansjörg Lein hofft, dass dieses Buch die eigene evangelische Identität stärkt: „Aus der Erinnerung lässt sich Kraft schöpfen.“ Freiheit, das Fundament der Heiligen Schrift, die hohe Stellung der Bildung und das Engagement der Kirche für die Welt sind für den Wiener Superintendenten zentrale Eckpfeiler evangelischer Identität.

(Monika Salzer, Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 240 Seiten, 150 Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-85452-636-0; 29,90 Euro)

ISSN 2222-2464

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