18.09.2009

Tirol: Gedenken an Protestantenvertreibung im Zeichen der Versöhnung

1837 wurden 427 Zillertaler Protestanten aus ihrer Heimat vertrieben - Bischof Scheuer mahnt gegenseitigen Respekt und Achtung der Menschenwürde auch für Gegenwart ein – Superintendentin Müller: "Dunkle Kapitel" bis heute nicht wirklich bewältigt

1837 wurden 427 Zillertaler Protestanten aus ihrer Heimat vertrieben – Bischof Scheuer mahnt gegenseitigen Respekt und Achtung der Menschenwürde auch für Gegenwart ein – Superintendentin Müller: „Dunkle Kapitel“ bis heute nicht wirklich bewältigt

Innsbruck (epd Ö) – Im Zeichen der Versöhnung und des gemeinsamen Einsatzes für den Frieden in der Zukunft stand am Mittwoch das Gedenken in der Pfarrkirche Mayrhofen im Zillertal anlässlich der Vertreibung von 427 Zillertaler Protestanten aus ihrer Heimat im Jahre 1837. Die Vertreibung der Zillertaler Protestanten sei für Katholiken „kein Ruhmesblatt“, sie sei mit „Scham und der Bitte um Vergebung verbunden“, sagte der Innsbrucker römisch-katholische Bischof Manfred Scheuer bei der Gedenkveranstaltung.

Scheuer wie auch die evangelische Superintendentin Luise Müller erinnerten daran, dass die Vertreibung der Zillertaler Protestanten zu einem Zeitpunkt erfolgte sei, als das Toleranzpatent von Kaiser Joseph der II. bereits mehr als 50 Jahre in Kraft war. Seit 1781 sei den Protestanten im Kaiserreich die private und ab einer bestimmten Gemeindegröße auch öffentliche Religionsausübung erlaubt gewesen.

Im fast vollständig katholischen Tirol allerdings hätten die politischen und kirchlichen Entscheidungsträger noch Jahrzehnte hindurch die Umsetzung des Toleranzpatentes hintertrieben. Unter anderem sei dies damit begründet worden, dass der katholische Glaube unverzichtbar zur Identität Tirols gehöre. Man habe die Protestanten als Gefahr für Tirol angesehen und sich auch nicht gescheut, sie zu kriminalisieren.

Bischof Scheuer kritisierte all jene gegenwärtigen Tendenzen in der Gesellschaft, wo Mitmenschen ausgegrenzt und Feindbilder geschaffen würden. Es sei ein Ausdruck von menschlicher Schwäche und nicht von Stärke, „anderen Menschen und Völkern von vornherein mit Abwertung und Verdacht zu begegnen oder alle, die sich nicht angleichen und unterwerfen, ins Lager der Feinde zu verweisen“, betonte der Bischof. Demgegenüber mahnte er gegenseitigen Respekt und die Achtung der Menschenwürde ein.

Superintendentin Müller sprach die Vermutung aus, dass das „dunkle Kapitel“ des Jahres 1837 heute noch nicht wirklich bewältigt und aufgearbeitet sei. Dies sage sie „auch unter dem Eindruck mancher Politikerreden heuer im Jubiläumsjahr“. Müller wies auch darauf hin, dass im Zillertal heute rund 200 Evangelische leben. Der Tourismus allerdings habe auf die evangelische Kirche Auswirkungen wie kaum in einem anderen Gebiet: „Trauungen von Touristen werden hier wie kaum anderswo gewünscht“, so Müller.

Zu den Beziehungen zur katholischen Kirche meinte die Superintendentin, dass die Ökumene ihre „Hochs und Tiefs“ habe. Unter Frauen werde die Ökumene „gut gelebt“, an manchen Orten gäbe es auch gute Zusammenarbeit mit den katholischen Priestern. Manchmal sei allerdings auch ein „Rückschritt“ zu beobachten, „wenn es beispielsweise abgelehnt wird, dass für evangelische Begräbnisse die katholischen Glocken geläutet werden, oder wenn eine gemeinsame Religionsunterrichtsstunde abgelehnt werde mit den Worten: Da könnten wir ja gleich die Moslems holen.“

Eingeladen zu dem Gedenken in die Kirche von Mayrhofen hatte die ökumenische Friedensinitiative „Pax Christi Tirol“ anlässlich des heurigen Tiroler Gedenkjahres 1809-2009. Das Jahr steht unter dem Leitwort „Geschichte trifft Zukunft“.

ISSN 2222-2464

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