23.06.2021

Theologin Käßmann ortet ambivalentes Verhältnis von Frauen zur Macht

Frühere EKD-Ratsvorsitzende bei burgenländischem Frauentag

“Während Männer sich gern mit ihr brüsten wird Frauen auf gewisse Weise unterstellt, sie verlieren ihre Weiblichkeit, wenn sie Macht haben." Foto: wikimedia/Claude Truong-Ngoc/cc by sa 3.0

Frühere EKD-Ratsvorsitzende bei burgenländischem Frauentag

Raiding (epdÖ) – Zur Solidarität der Frauen untereinander hat die deutsche Theologin und frühere Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, aufgerufen. So könnten sie in Kirche, Gesellschaft und Politik gestaltend wirken: „Solidarität kann uns Mut machen, uns beflügeln. Wir lassen uns nicht mehr gegeneinander ausspielen. Frauen ohne Macht können stolz sein auf Frauen mit Macht. Frauen mit Macht können sie bewusst benutzen, um die ohne Macht zu stärken“, sagte Käßmann im Rahmen des Frauentags der Evangelischen Frauenarbeit Burgenland am Freitag, 25. Juni, in Raiding laut Redemanuskript.

Wieviel Weiblichkeit verträgt Macht?

Die frühere hannoversche Landesbischöfin ortete aber auch ein ambivalentes Verhältnis von Frauen zur Macht. „Die ehemalige deutsche Umweltministerin von den Grünen Andrea Fischer hat einmal gesagt: ‚Frauen fremdeln mit der Macht.‘ Ich denke, das stimmt. Nicht immer, aber oft.“ Zwar seien Frauen bereit, Verantwortung zu übernehmen, sei es in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Pfarrgemeinde. Zugleich habe Macht für sie aber einen negativen Beigeschmack: „Während Männer sich gern mit ihr brüsten, offenbar dadurch für manche Frauen auch besonders attraktiv wirken, wird Frauen auf gewisse Weise unterstellt, sie verlieren ihre Weiblichkeit, wenn sie Macht haben. Oder verträgt die Definition von Macht nicht allzu viel Weiblichkeit?“ Viele Frauen schreckten vor der Macht zurück, da sie sich mit ihr dem Hass der Öffentlichkeit aussetzten – eine „heftige Herausforderung“ für demokratische Staaten.

Und doch sei es inzwischen zur Normalität geworden, dass auch Frauen Machtpositionen bekleideten. Käßmann verweist auf die Beispiele der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen oder der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer: „Wie nehmen wir als Frauen das wahr? Ich spüre meine eigene Ambivalenz. Einerseits denke ich: Das ist doch super! Andererseits: Warum tut ihr euch das an?“

„Erscheinungsbild der Kirchen bleibt männlich geprägt“

Schwierig sei die Situation weiterhin in den Kirchen. Zwar könnten Frauen in Deutschland oder Österreich evangelische Pfarrerinnen werden und als solche auch heiraten, aber „insgesamt bleibt das Erscheinungsbild der Kirchen wie der Religionen männlich geprägt. Patriarchen und Priester, Päpste und Imame, Rabbiner und Mönche dominieren die öffentlichen Bilder von Religion. Frauen stehen für die, die hingebungsvoll den Glauben leben und feiern.“ Gerade ehrenamtliche Frauen seien zudem oft mit der Erfahrung konfrontiert, „gern gebraucht zu werden, aber ungern ihre Meinung einbringen zu können“. Das müsse sich ändern, forderte Käßmann.

„Jede ist kundig des einen oder anderen“

Sie rief aber zugleich dazu auf, „über den Tellerrand“ hinaus auf die globale Situation von Frauen zu schauen. Macht brauche es nämlich auch, um diejenigen zu unterstützen, die sich nicht frei entfalten könnten, etwa viele Frauen in arabischen Ländern, Frauen ohne Zugang zu Verhütungsmitteln, oder Frauen, die Gewalt in der Familie erlitten. Zu solcher Solidarität beflügeln könne das Miteinander von Frauen in unterschiedlichsten Positionen: „Vor Ort, in der Leitung, Ordinierte, im Ehrenamt, Kita-Mitarbeiterin und leitende Juristin. Jede ist kundig des einen oder des anderen – und genau das kann sich ergänzen.“

Zum burgenländischen Frauentag waren 250 Gäste gekommen – so viele, wie von den Behörden genehmigt worden waren.

ISSN 2222-2464

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