24.11.2004

Susanne Heine: „Von Gegenreformation nie wirklich erholt“

Podiumsdiskussion untersuchte die heutigen Folgen des Habsburg-Katholizismus

Podiumsdiskussion untersuchte die heutigen Folgen des Habsburg-Katholizismus

Wien (epd Ö) – Von einer weit verbreiteten „Angst der protestantischen Kirchen in Österreich, das ökumenische Klima zu gefährden“, hat die evangelische Theologin Univ. Prof. Dr. Susanne Heine, gesprochen. Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Gegenreformation heute“ sagte die Leiterin des Instituts für Praktische Theologie und Religionspsychologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien am 17. November in Wien, Grund dafür sei ein „mentales Sediment“ der Identifikation von Staat und Römisch-katholischer Kirche, das in den Jahrhunderten der habsburgischen Herrschaft gebildet worden sei. Die These „ein römisch-katholischer Gott, ein Reich, ein Kaiser“ habe bis heute eine römisch-katholische Mentalität der Nichtwahrnehmung anderer Konfessionen geschaffen. Als Beispiel nannte Heine die Wallfahrt der Bundesregierung nach Mariazell vor einigen Jahren, mit der an die römisch-katholische Habsburg-Tradition angeknüpft worden sei.

Mentalität des Sich-Versteckens

„In diesem mentalen Klima hat sich der österreichische Protestantismus nie wirklich von der Gegenreformation erholt“, sagte die Theologin bei der von Dr. Peter Huemer moderierten Diskussion. Die aus dem Geheimprotestantismus stammende Mentalität des Sich-Versteckens sei noch heute anzutreffen. Das bekannt gute ökumenische Klima in Österreich könne auch als Reaktion auf den Anpassungsdruck der Römisch-katholischen Kirche erklärt werden.

Zur Frage des Verhältnisses des österreichischen Protestantismus zum Nationalsozialismus erklärte Heine, eine „Kultur des Erinnerns“ sei die Voraussetzung dafür, dass sich „falsch Gelaufenes“ nicht wiederhole. Der gegenwärtigen Kirchenleitung sei dies bewusst. Das deutschnationale Element im österreichischen Protestantismus sei als Negation gegenüber dem Habsburg-Katholizismus entstanden. In diesem Zusammenhang verwies Heine darauf, dass der Antijudaismus von Anfang an der christlichen Tradition „eingeschrieben“ sei. Daher sei in Sachen Antisemitismus eine Aufrechnung nach Konfessionen nicht möglich.

Gebrochenes Rückgrat

Nach Ansicht des Innsbrucker Politologen Univ. Prof. Dr. Anton Pelinka hat die Gegenreformation ein jahrhundertelanges politisches Ressentiment bewirkt, das sich noch heute im hohen FP-Wähleranteil in Gemeinden mit evangelischer Mehrheit zeigt. In einer deutschnationalen oder sozialdemokratischen Einstellung habe sich bei den österreichischen Evangelischen der „Dissens gegen den Mainstream“ geäußert. Dabei war nach Meinung Pelinkas die Zahl der evangelischen Nationalsozialisten in Österreich nicht höher als die der römisch-katholischen.

Insgesamt, so Pelinka, habe die Gegenreformation in Österreich ein „gebrochenes Rückrat“ bewirkt und ein potentiell demokratisches Element „kaputt gemacht“. Der österreichische Protestantismus sei abgesehen von seiner negativen Positionierung heute nicht eindeutig politisch zu verorten. „Der österreichische Protestantismus, so klein er ist, ist äußerst bunt, vielfältig, spannend“, sagte der Politologe.

Warnung vor plakativen Argumenten

Dass das Empfinden, unter der Gegenreformation gelitten zu haben, vor allem in Tschechien noch sehr lebendig sei, darauf verwies der Wiener Historiker Univ. Prof. Dr. Thomas Winkelbauer. Im Bewusstsein der Österreicher spiele allerdings die gescheiterte Revolution von 1848 eine größere Rolle als die Gegenreformation.

Vor allzu plakativer historischer Argumentation warnte in der Diskussion der Wiener evangelische Kirchenhistoriker DDr. Rudolf Leeb. Es gebe in Österreich regional unterschiedliche Prägungen der Mentalitäten. Auch die Entstehung des Bildes vom „kuschenden Österreicher“ sei noch genauer zu untersuchen. Der Kirchenrechtler Univ.Prof. Dr. Karl Schwarz verwies darauf, dass die oft kolportierte hohe Zahl nationalsozialistischer Pfarrer in Österreich auf den Pfarrerverein im Jahr 1938 zurückgehe, der sie aus opportunistischen Gründen „ziemlich aufgebauscht“ habe.

Die Podiumsdiskussion „Gegenreformation heute“ wurde unter Mitwirkung der Evangelischen Akademie Wien im Rahmen der Wiener Vorlesungen und des von 17. bis 19. November durchgeführten Symposions „Staatsmacht und Seelenheil“ im Wiener Stadt- und Landesarchiv veranstaltet.

ISSN 2222-2464

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