11.04.2002

Sturm: „Kirchen haben Auftrag zur Einmischung“

Dialog zwischen Kirchen und Sozialdemokratie im Vorfeld des "Ökumenischen Sozialwortes"

Dialog zwischen Kirchen und Sozialdemokratie im Vorfeld des „Ökumenischen Sozialwortes“

Linz, 11. April 2002 (epd Ö) Als „Seismograph der Gesellschaft“, der die Auswirkungen politischer oder ökonomischer Maßnahmen konkret registriere, hat Bischof. Mag. Herwig Sturm die Kirchen bezeichnet. Bei einem Treffen von Verantwortlichen für das Projekt „Sozialwort“ der 14 christlichen Kirchen Österreichs mit Vertretern der SPÖ, zu dem SPÖ-Parteivorsitzender Dr. Alfred Gusenbauer nach Linz geladen hatte, sagte der Bischof, Kirchen könnten daher zum Anwalt für Gruppen werden, die sich nicht ausreichend artikulieren können oder nicht gehört werden.

So berichteten kirchliche Sozialberatungsstellen von einem Anwachsen der Zahl von Hilfesuchenden, deren Erwerbseinkommen ihr Auskommen nicht sichere. „Arbeit schützt vor Armut nicht“, stellte Sturm fest.

Zum Flüchtlingsproblem sagt Sturm, die Hilfsorganisationen seien nicht mehr in der Lage, die zahlreichen Asylwerber, die nicht in die Bundesbetreuung aufgenommen würden, unterzubringen und zu versorgen. Der Bischof kritisierte auch ein „Arbeitsverbot“ für Menschen, die nach Österreich zugewandert sind. Der Zugang zum Arbeitsmarkt sei für solche Menschen „äußerst hürdenreich bzw. völlig verwehrt“. Sturm forderte: „Wer hier lebt, soll auch für sein Einkommen selbst sorgen können.“

Kirche nützt Globalisierung

Wie der Bischof weiter berichtete, solle ein „synodaler Prozess“ in der Evangelischen Kirche Österreichs die Rolle der Kirche innerhalb der Zivilgesellschaft klären. Der „Auftrag zur Einmischung“ sei für manche Gemeindeglieder noch „unerhört“, auch manche Parteipolitiker empfänden diese „Lerngemeinschaft Demokratie“ noch als „unerlaubte Einmischung in ihr Geschäft“. Dennoch nütze die Evangelische Kirche die Globalisierung „zu Begegnungen, Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe mit unseren Nachbarn in Europa.“ Der Bischof sagte: „Wir möchten Brücken bauen über Gräben der Schuld und des Hasses in der Geschichte und das Netz der Verständigung und Versöhnung stärken.“ So bemühe sich seine Kirche um das Gespräch mit Kirchen in der Tschechischen Republik und um Hilfestellung für die Beitrittswerber, vor allem auf dem Gebiet des Europarechts.

Das Treffen der Vertreter der 14 Kirchen mit Vertretern der Sozialdemokratie erfolgte im Rahmen von Parteiengesprächen der 14 christlichen Kirchen im Vorfeld des „Ökumenischen Sozialwortes“. Bereits im Jänner hatte ein Zusammentreffen mit Vertretern der ÖVP stattgefunden. An dem Gespräch in Linz nahmen neben Bischof Sturm auch die Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Oberin Prof. Christine Gleixner sowie der römisch-katholische „Sozialbischof“ Maximilian Aichern und Metropolit Michael Staikos von der Griechisch-Orthodoxen Kirche teil. Die SPÖ war vertreten durch Obmann Dr. Alfred Gusenbauer und Sozialsprecherin Heidrun Silhavy.

ISSN 2222-2464

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