30.11.2016

St. Pölten wird „Reformationsstadt Europas“

Stadler, Müller-Marienburg und Malekpour erinnern an evangelische Geschichte

"Reformationsstadt" St. Pölten: Bürgermeister Stadler, Superintendentialkuratorin Malekpour und Superintendent Müller-Marienburg (v.l.) blättern im Programm zum Reformationsjubiläum. Foto: epd/Dasek

Stadler, Müller-Marienburg und Malekpour erinnern an evangelische Geschichte

St. Pölten (epdÖ) – 2017 feiern die Evangelischen Kirchen weltweit 500 Jahre Reformation. Mit der Ernennung zur „Reformationsstadt Europas“ wird auch in St. Pölten darauf aufmerksam gemacht, wie die Reformation die Geschichte der Stadt wesentlich geprägt hat.

Der Titel „Reformationsstadt Europas“ sei ein „klares Bekenntnis zur evangelischen Geschichte“, sagte Bürgermeister Matthias Stadler bei einem Pressegespräch am Donnerstag, 24. November, im Rathaus St. Pölten. Offiziell verliehen wird der Titel am 24. Jänner 2017. Die Reformationsstädte Europas sind ein Projekt der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), das diese gemeinsam mit europäischen Städten und Kirchen anlässlich des 500. Jubiläums der Reformation durchführt. Europaweit beteiligen sich 75 Städte, in Österreich tragen neben St. Pölten Graz, Villach, Klagenfurt, Steyr, Waidhofen an der Ybbs und Wien das Prädikat „Reformationsstadt Europas“.

Zahlreiche Veranstaltungen werden 2017 in St. Pölten die evangelische Vergangenheit in den Mittelpunkt rücken, die die Stadt entscheidend geprägt habe und ohne die „unsere Geschichte um vieles ärmer wäre“, so Stadler. Dabei will der Bürgermeister und Historiker auch selbst als Stadtführer unterwegs sein. Die erste Führung, die evangelische Schauplätze beleuchtet, ist für Anfang Februar geplant. Die Evangelische Kirche bringe sich heute nicht nur kulturell und im Bildungsbereich ein, sondern leiste einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben, unterstrich Stadler. In der „besonderen Flüchtlingssituation“ hätten evangelische Einrichtungen „federführend und musterhaft“ geholfen.

Dass die Reformation nicht nur ein historisches und religiöses Ereignis sei, sondern breite gesellschaftliche Relevanz aufweise, betonte Superintendent Lars Müller-Marienburg. So habe in der Reformation Bildung besondere Bedeutung erhalten: „Die Bibel wurde nicht nur übersetzt, die Menschen sollten sie auch lesen können.“ Das Prädikat „Reformationsstadt Europas“, das die politischen Gemeinden beantragen können, sieht der Superintendent als „reizvolle Chance, sich über die lokale Reformationsgeschichte Gedanken zu machen und gemeinsam mit dem politischen Partner auf Entdeckungsreise zu gehen“.

Dankbar „für den Raum, den uns die Stadt gibt“, zeigte sich Superintendentialkuratorin Gisela Malekpour, die höchste weltliche Repräsentantin der evangelischen Diözese Niederösterreich. Evangelisch sein bedeute mehr, „als in die Geschichte zurückzuschauen“. So werde das Reformationsjubiläum, das in Österreich die drei Evangelischen Kirchen – die Lutherische, die Reformierte und die Methodistische – gemeinsam feiern, „keine Nabelschau“ sein, sondern das Motto „Freiheit und Verantwortung“ herausstreichen. Ein Schwerpunkt sei dabei der interreligiöse Dialog, der auch Stadler ein wichtiges Anliegen ist. Neben Diskussionsveranstaltungen, Ausstellungen und vielen weiteren kulturellen Angeboten wird es 2017 auch eine eigene Sondermarke geben. Ein Sujet zeigt dabei die historische Luther-Bibel aus Mitterbach, kündigte Malekpour an.

Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther (1483–1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Der legendäre Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation. In St. Pölten verbreitete sich die Reformation ab 1522. „Man nimmt an, dass im 16. Jahrhundert 90 Prozent der Bevölkerung in St. Pölten evangelisch waren“, erklärte Stadler. Prägend für diese Zeit sei etwa das Rathaus mit dem markanten Turm. Die erste weltliche Schule der Stadt war vermutlich eine protestantische Gründung. 1576 setzte die Gegenreformation ein, in deren Folge der Druck auf Evangelische massiv verstärkt wurde. Schulen mussten geschlossen werden, wer nicht katholisch wurde, musste die Stadt verlassen. 1624 war die Gegenreformation so gut wie abgeschlossen. Rund 250 Jahre später konnte sich dann die evangelische Pfarrgemeinde in St. Pölten konstituieren. Heute leben in Niederösterreich rund 40.000 Evangelische in 28 Pfarrgemeinden.

ISSN 2222-2464

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