25.01.2017

St. Pölten ist „Reformationsstadt Europas“

Sondermarke zum Reformationsjubiläum

Bürgermeister Matthias Stadler und Bischof Michael Bünker mit der Urkunde der neuen "Reformationsstadt" St. Pölten. Foto:Josef Vorlaufer

Sondermarke zum Reformationsjubiläum


St. Pölten (epdÖ) – Die niederösterreichische Landeshauptstadt St. Pölten hat den Titel „Reformationsstadt Europas“ erhalten. Am Dienstagabend, 24. Jänner, überreichte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker die Urkunde in einem feierlichen Festakt im Rathaus in St. Pölten an Bürgermeister Matthias Stadler. Im Jahr des Reformationsjubiläums 2017 – 500 Jahre Reformation – erinnert der Titel daran, wie die Reformation die Geschichte der Stadt wesentlich geprägt hat. Die Reformationsstädte Europas sind ein Projekt der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), deren Generalsekretär Bünker ist. Europaweit beteiligen sich derzeit 78 Städte, in Österreich tragen neben St. Pölten Graz, Villach, Klagenfurt, Steyr, Waidhofen an der Ybbs und Wien das Prädikat „Reformationsstadt Europas“.

„1520 wurden die ersten Anhänger der Lehre Luthers in St. Pölten noch angeklagt, eine Generation später war die ganze Stadt evangelisch“, erklärte Bischof Bünker bei der Überreichung der Urkunde. Früh habe sich das Gedankengut der Reformation in St. Pölten verbreitet, Kennzeichen seien hier die Etablierung des öffentlichen städtischen Schulwesens und die Errichtung des Bürgerspitals. „Bildung und Diakonie sind Zwillinge der Reformation“, so der Bischof. Die Impulse Luthers für die Kommune seien in St. Pölten gegen den Willen des Landesherrn und zuständigen Bischofs „vorbildlich“ umgesetzt worden, rasch habe sich die Reformation auf das soziale Leben ausgewirkt. Bünker: „Bildung und Mündigkeit gehören zum evangelischen Aufbruch einfach dazu.“

Heute werde das Reformationsjubiläum erstmals in einem Europa des Friedens und in einer „ökumenisch aufgeschlossenen Situation“ gefeiert. Das Netzwerk der Reformationsstädte mache die europäischen Impulse der Reformation bewusst. Weil sich Städte nur mit Beschluss ihrer eigenen Stadtregierung und der örtlichen Kirche um diesen Titel bewerben können, werde zusätzlich das „Zusammenwirken zwischen Christen und Bürgergemeinde“ unterstrichen.

Für Bürgermeister Stadler zeigt sich in dem Titel „Reformationsstadt“ die Aufgeschlossenheit der Stadt gegenüber Neuerungen, die durch viele Epochen der Stadtgeschichte zu beobachten sei. St. Pölten habe immer Herausforderungen angenommen. Zu einer aufgeschlossenen Stadt gehöre der „Blick in die Weite“ ebenso wie Religionsfreiheit und interreligiöser Dialog, dem sich St. Pölten verpflichtet fühle.

„Wenn sich eine Stadt entschließt, Reformationsstadt Europas zu werden, geht es nicht nur um die Auseinandersetzung mit Geschichte, sondern um die Frage, wie man mit Umbrüchen umgeht“, ist der evangelische Superintendent Lars Müller-Marienburg überzeugt. Von den Religionen und der Gesellschaft wünscht sich Müller-Marienburg hier „weniger Angst“. Aus der Reformation könne man lernen, dass „große Vielfalt um einen gemeinsamen Kern herum“ möglich sei. Die Vielfalt von Kirchen und Religionen sei „keine Bedrohung, sondern Bereicherung“.

Präsentiert wurde bei dem Festakt auch eine eigene Sondermarke der Post zum Reformationsjubiläum. Die 68 Cent-Marke zeigt die historische Luther-Bibel aus Mitterbach und ist ab sofort in allen Postämtern erhältlich. Zusätzlich gibt es Sondermarken zum Reformationsjubiläum, die Sujets des Künstlers Olaf Osten zum Thema „Freiheit und Verantwortung“ zeigen – dem Motto des Reformationsjubiläums.

Zahlreiche Veranstaltungen werden 2017 in St. Pölten die evangelische Vergangenheit in den Mittelpunkt rücken. Dabei will der Bürgermeister und Historiker auch selbst als Stadtführer unterwegs sein. Die erste Führung, die evangelische Schauplätze beleuchtet, ist für Anfang Februar geplant.

Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther (1483–1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Der legendäre Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation. Im 16. Jahrhundert waren 90 Prozent der Bevölkerung in St. Pölten evangelisch. 1576 setzte die Gegenreformation ein, in deren Folge der Druck auf Evangelische massiv verstärkt wurde. Schulen mussten geschlossen werden, wer nicht katholisch wurde, musste die Stadt verlassen. 1624 war die Gegenreformation so gut wie abgeschlossen. Rund 250 Jahre später konnte sich dann die evangelische Pfarrgemeinde in St. Pölten konstituieren. Heute leben in Niederösterreich rund 40.000 Evangelische in 28 Pfarrgemeinden.

ISSN 2222-2464

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