26.05.2021

Europäische Toleranzgespräche mit Ruf nach globaler Fairness

Imamin Ateş: Friedensprojekt Europa muss verteidigt werden

Die Berliner Imamin und Frauenrechtlerin Seyran Ates bei der Eröffnung der Europäischen Toleranzgespräche in Fresach. Foto: Fotodienst/Mike Kampitsch

Imamin Ateş: Friedensprojekt Europa muss verteidigt werden

Fresach/Villach (epdÖ) – Fairness und Gleichberechtigung hatten sich die Europäischen Toleranzgespräche Fresach bei ihrer siebten Austragung ins Programmheft geschrieben. Von 19. bis 22. Mai diskutierten über 40 Fachleute in dem Kärntner Bergdorf sowie wie in Villach Fragen einer globalen Gerechtigkeit. Beim diesjährigen Hauptvortrag am Donnerstag, 20. Mai, forderte die deutsche Imamin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş „Gleichberechtigung ohne Rollentausch und auf Augenhöhe für alle Menschen“. Dieses Ziel solle alle antreiben, „um endlich eine faire Gesellschaft zu erreichen“.

Ungleichbehandlung führe immer zu Diskriminierung und Unterdrückung. Kein anderes Thema bestärke und verfestige Parallelgesellschaften so wie die Abwehr und Ablehnung der Gleichberechtigung, zeigte sich Ateş überzeugt. Die Gleichberechtigung sei auch der Hauptgrund, warum sich Islamisten, islamistische Regierungschefs und Königshäuser gegen die sogenannte „Verwestlichung“ zur Wehr setzen und die Einführung der Demokratie bis heute bekämpfen. Die Gleichberechtigung der Geschlechter sei aber alles andere als eine „westliche Erfindung“. Überall, in allen Kulturen und Religionen, kämpften Frauen für dieselbe Sache – frei zu sein und dem Mann in allen Rechten und Pflichten als Bürgerin ebenbürtig zu sein, bekräftigte Ateş.

„Wie weit darf unsere Toleranz ausgereizt werden, wenn Andersdenkende und Andersgläubige an den Grundpfeilern europäischer Werte nicht nur Zweifel anbringen, sondern sie gänzlich ablehnen? Und zwar mit dem Hinweis auf die eigene andere Kultur“, fragte die Moscheegründerin. „Dabei sprechen wir über universelle Werte, die in unserer modernen Zeit und in einer Demokratie im 21. Jahrhundert Standard auf der ganzen Welt sein sollten.“

Wer Gleichberechtigung ablehne, tue dies nur im Interesse des Patriarchats und deshalb, weil er die wahrhafte und wehrhafte Demokratie ablehne, so die Frauenrechtlerin. Daher müsse das Friedensprojekt Europa mit seiner unendlichen Toleranz gegen jene Kräfte verteidigt werden, die dabei seien, Europa aus dem tiefsten Inneren heraus zu verändern, „ja Europa sogar zerstören wollen“. Dazu brauche es Aufklärung ebenso wie Bildung und die „eigene Liebe zu Europa, um andere von dessen Schönheit zu überzeugen“. Die Eröffungsrede von Seyran Ateş im Video finden Sie auf www.youtube.com

Superintendent Sauer: Hunger und Durst nach Gerechtigkeit und Fairness

Die Toleranzgespräche wollten „den Hunger und Durst nach Gerechtigkeit und Fairness wachhalten“, sagte der Kärntner evangelische Superintendent Manfred Sauer bei der Eröffnung. Sauer nahm Bezug auf die Bergpredigt Jesu. Dort werde die Sehnsucht nach Gerechtigkeit deutlich, „wir sind hungrig und durstig nicht nur nach Brot und Wasser, sondern in besonderer Weise nach einem Leben in gerechten Verhältnissen“. Am Weg zur Gerechtigkeit gelte es, genauer hinzuschauen, tiefer zu bohren, aufzuklären und kreativ zu debattieren. Dazu wollen die Toleranzgespräche, die seit 2015 stattfinden, ihren Beitrag leisten.

Toleranzpreis und Globalisierungskompass

Bei der Eröffnungsfeier wurde auch der jährlich im Rahmen der Toleranzgespräche verliehene Toleranzpreis vergeben. Er ging heuer an Heinz Nußbaumer, Journalist und Pressechef des früheren Bundespräsidenten Thomas Klestil. „Inmitten des Chors aufgeregter Stimmen, die rasch im Urteil sind und nicht verstehen können, dass die ganze Welt die größere Heimat ist, in der andere Kulturen nicht Gegner sind, sondern Partner, hat Heinz Nußbaumer unbeirrbar aber verständnisvoll, lernbereit und aufnahmefähig seine vielen, sich selbst auferlegten Verpflichtungen wahrgenommen“, hieß es in der Begründung der Jury.

Im Rahmen der Toleranzgespräche präsentierte die Arbeiterkammer zudem einen „Globalisierungskompass“. Der Kompass soll eine „Orientierungshilfe für eine gerechte Weltwirtschaft liefern“. Über 30 Autorinnen und Autoren bringen darin ihre Gedanken und Vorschläge ein. Den Kompass finden Sie auf: www.arbeiterkammer.at/globalisierungskompass

ISSN 2222-2464

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