08.03.2006

Schwarz: Grundwerte der Kirchen für Staat „unentbehrlich“

Das Spannungsfeld von Kirche, Staat und Gesellschaft prägte den ersten Vortragsabend der Evangelischen Woche

Das Spannungsfeld von Kirche, Staat und Gesellschaft prägte den ersten Vortragsabend der Evangelischen Woche

Wien (epd Ö) – Das Spannungsfeld von Kirche, Staat und Gesellschaft in seinen historischen und aktuellen Dimensionen stand im Mittelpunkt des ersten Vortragsabends der Evangelischen Woche am Montag in Wien. Ministerialrat Univ.Prof. Dr. Karl Schwarz vom Kultusamt im Bildungsministerium vertrat dabei die Meinung, dass die von den Kirchen aus dem Geist der Heiligen Schrift vertretenen Grundwerte für den Staat „unentbehrlich“ sind. Dazu gehörten vor allem die Achtung vor der Freiheit und der Würde der menschlichen Person, ferner Liebe, Wahrheit, Friede, Gerechtigkeit und Solidarität. „Durch Erhaltung und Vermittlung solcher Grundwerte tragen die Kirchen eine hohe Verantwortung für Staat und Gesellschaft“, sagte der Kirchenrechtler. Die Gesellschaft benötige eine Schule, in der ein ethisches Umfeld, soziale Tugenden und auch eine „spirituelle Kraft“ vermittelt werden. Schwarz: „Der Religionsunterricht und die konfessionellen Privatschulen sind meines Erachtens der Ort, wo dieser Dienst an der Gesellschaft geleistet wird.“

Kein anderer Gegenstand stehe so „unter plebiszitärem Druck“ wie der Religionsunterricht. Das Recht, sich ohne Angabe von Gründen und ohne Furcht vor Konsequenzen vom Religionsunterricht abzumelden, sei „ein teures Rechtsgut“, weil es letztlich eine Frucht der Religionsfreiheit ist, aber es hat „verheerende Wirkungen“, betonte Schwarz. Von der Zahl der Abmeldungen hängt die Zusammenlegung von Religionsunterrichtsgruppen ab und davon wiederum der Stundenplan. „Man kann es gut verstehen, dass seitens der ReligionslehrerInnen diese Abmeldemöglichkeit sehr kritisch beäugt wird“, meinte der Kirchenrechtler. Es habe sich gezeigt, dass der Ethikunterricht – seit 1997/98 als Schulversuch angeboten – letztlich den Religionsunterricht stabilisiert habe. Dass der Schulversuch trotz eindeutiger Erfahrungen und Empfehlungen nicht in das Regelschulwesen übernommen wurde, liege ausschließlich an der budgetären Zwangslage der österreichischen Schulverwaltung.

Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht

Schwarz verwies auch auf die positiven Erfahrungen mit dem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht (KoKoRU). An einzelnen ausgewählten Schulen in Wien haben die Römisch-katholische, die Evangelische, die Altkatholische und Orthodoxe Kirche dieses Projekt gestartet. Im Vordergrund stehen dabei SchülerInnen, denen die Teilnahme am Religionsunterricht „unter zumutbaren Bedingungen“ ermöglicht werden soll. Die Kooperation vertiefe zudem eine bereits bestehende Kooperationskultur bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung der ReligionslehrerInnen im Akademien-Verbund und künftig in einer gemeinsamen Pädagogischen Hochschule in kirchlicher Trägerschaft.

Der Religionsunterricht gelte nicht mehr nur ausschließlich als eine Veranstaltung der jeweiligen gesetzlich anerkannten Kirche, sondern finde seine rechtliche Basis auch im staatlichen Kulturauftrag, betonte Schwarz. Dieser Bildungsauftrag könne sich nicht auf Lesen und Schreiben und die unmittelbare Berufsausbildung beschränken, sondern umfasse auch „die Vermittlung jener fortwirkenden Kräfte der Vergangenheit, durch die wir auch in der Zukunft unsere Daseinsbewältigung leisten werden: Es sind die großen Fragen des Woher und Wohin unseres Weges, die Fragen unserer Sinnverantwortung, die letztlich auch im Kontext der Schule entfaltet werden und ebenso nach religiösen Antworten rufen.“

Bildungsverantwortung der Kirche

Schwarz warnte davor, dass angesichts der schwindenden öffentlichen Ressourcen der Rechtsanspruch konfessioneller Privatschulen auf Personalsubvention zum kultur- und finanzpolitischen Streitfall geraten könne. Rund um die Errichtung und Neuplanung des Evangelischen Gymnasiums mit Werkschulheim in Wien habe es „eine kleine Renaissance der evangelischen Schulidee gegeben“, konstatierte der Ministerialrat. Evangelische Schulen bringen, so Schwarz, zum Ausdruck, „wie die Evangelische Kirche auf der Grundlage des Evangeliums von Jesus Christus im Verständnis der Reformation für die Herausforderungen der heutigen Gesellschaft ihre Verantwortung für Kinder und Jugendliche im öffentlichen Bildungssystem wahrnimmt. Die Kirche kann und will sich nicht aus ihrer Bildungsverantwortung ausblenden, sie will exemplarisch, in unterschiedlichen Konkretionen zeigen, wie sie ihr pädagogisches Wollen realisiert“. Die Errichtung einer evangelischen Schule müsse auch als Versuch gesehen werden, „die Diasporafestigkeit der Kirche in der Zukunft zu sichern“.

ISSN 2222-2464

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