25.02.2015

Schorlemmer: „Gier nicht zur Tugend erheben“

Der bekannte Theologe diskutierte mit Bischof Bünker über Glück und Gier

"Gerade die Kirchen müssen immer auf der Seite derer stehen, die nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlen können, als auf Seiten derer, die nicht wissen wohin mit dem Geld", sagte der Theologe und Friedensaktivist Friedrich Schorlemmer bei einer Lesung am 24. Februar in Wien. (Hier im Interview mit der "SAAT. Evangelische Zeitung für Österreich", Foto: epdÖ/M. Uschmann)

Der bekannte Theologe diskutierte mit Bischof Bünker über Glück und Gier

Wien (epdÖ) – Die Gier darf nicht zur Tugend erhoben werden, vielmehr muss der Mensch das Glück mit all seinen Sinnen im Einfachen finden. Das postulierte der deutsche evangelische Theologe und Buchautor Friedrich Schorlemmer bei einer Diskussionsrunde, veranstaltet von der Evangelischen Akademie Wien, am 24. Februar in Wien. Unter dem Titel „Das Geld. Das Glück. Und die Gier“ sprach Friedrich Schorlemmer mit Bischof Michael Bünker über die Hintergründe und Quellen des Glücks. Geld alleine reiche dazu nicht, waren sich die Diskutanten einig.

Friedrich Schorlemmer, der sein neues Buch mit dem Titel „Die Gier und das Glück. Wir zerstören, wonach wir uns sehnen“ vorstellte, gehört zu den bekanntesten evangelischen Theologen. In der ehemaligen DDR geboren, engagierte er sich in der Friedensbewegung und wurde politisch aktiv. Heute lebt er in der Lutherstadt Wittenberg, wo er bis 2007 als Dozent am Evangelischen Predigerseminar und Prediger in der Schlosskirche tätig war. In seinen  zahlreichen Büchern forderte er seine eigene Kirche immer wieder auf sich einzumischen, wo Friedlosigkeit, Ungerechtigkeit, Not oder Verzweiflung herrschen. 1995 wurde er für sein Engagement mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Schorlemmer sprach sich in Wien für ein von Sinn und Sinnlichkeit geprägtes Streben nach Glück aus. Mit allen Sinnen Gottes Schöpfung in ihren ganzen Ausprägungen wahrzunehmen, das sei für ihn das wahre Glück. Gier und Glück gehören für Schorlemmer trotzdem untrennbar zusammen. „Die Gier nach Glücksmomenten ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft, gleichzeitig muss man sich fragen, was denn tatsächliches Glück darstellt.“ Für Schorlemmer ist dies weniger der Besitz von möglichst vielen Dingen, sondern momentane Zufriedenheit und Wertschätzung gegenüber der Umwelt und den Mitmenschen. Deswegen sei geteiltes Glück auch um ein Vielfaches wertvoller als solches, das man sich alleine beschert.

„Kirchen müssen immer auf der Seite der Armen stehen“

Glück könne man nicht mit einem Preisschild versehen, wie es die Werbung suggeriere. Arme Menschen sähen sogar oftmals viel glücklicher aus als diejenigen, die alles haben und sich damit beschäftigen müssen, was sie mit ihrem Geld am besten anfangen könnten. Das bedeute aber nicht, dass die zunehmende Ungleichheit zwischen Arm und Reich ihm keine Sorgen bereite: „Gerade die Kirchen müssen immer auf der Seite derer stehen, die nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlen können, als auf Seiten derer, die nicht wissen wohin mit dem Geld“, so Schorlemmer.

Für Michael Bünker kann es gar nicht genug Glück auf der Welt geben, sehr wohl aber zu viel Besitz. „Die Frage nach dem rechten Maß ist zentral“, unterstrich Bünker. Im herrschenden Überfluss sei es schwierig, genießen zu können und im richtigen Moment auch aufzuhören. „Wenn die Menschen besser aufhören könnten, wäre das das Beste, das der Welt passieren würde“, sagte der Bischof. Intensiver zu leben anstatt immer extensiver und aufwändiger, bedeute auch, „Gottes Schöpfung einen großen Gefallen tun“. Bünker: „Wenn man alles um Geld kaufen kann, dann wird auch der Mensch zur Ware.“

Bünker und Schorlemmer waren sich in dem Punkt einig, dass Religion glücklich machen kann. Religion biete Räume der Selbstbesinnung, in denen sich der Mensch innerlich befreien und seinen eigenen Frieden finden kann. „Wer friedlich ist, behandelt auch die anderen friedlich, so kann Glück entstehen“, ist Friedrich Schorlemmer überzeugt.

ISSN 2222-2464

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