10.12.2022

„Schöpfungsglaube in der Klimakrise“ – Evangelische Generalsynode beschließt Grundsatzpapier

„Wir sind gefordert, in eine neue Lebensweise aufzubrechen“ – Einsatz für den Klimaschutz auf allen Ebenen

Auf dem Weg zum Klimaschutzkonzept liefert das von der Generalsynode beschlossene Papier die biblisch-theologischen Grundlagen. (Foto: epd/Dasek)

„Wir sind gefordert, in eine neue Lebensweise aufzubrechen“ – Einsatz für den Klimaschutz auf allen Ebenen


Villach (epdÖ) – „In der schwierigen Zeit der Klimakrise suchen wir als Evangelische Kirche A. und H.B. Orientierung und Kraft in unserem Glauben“, heißt es in einem Grundsatzpapier, das am Samstag, 10. Dezember, im Rahmen der Generalsynode in Villach beschlossen wurde. Die Erklärung, vorgelegt vom Theologischen Ausschuss der Generalsynode, beleuchtet das Thema Schöpfung umfassend aus theologischer Sicht, gibt Orientierungshilfen aus christlicher Perspektive und ruft, mehrfach durchaus selbstkritisch, zum Handeln auf. So lautet einer der Appelle: „Wir wollen im Gottesdienst und im Glaubensleben einen Schöpfungsglauben suchen und bezeugen, der zum Engagement für die Zukunft der Schöpfung führt“.

Auf dem Weg zum Klimaschutzkonzept, an dem die Evangelische Kirche derzeit arbeitet, liefert dieses Papier die biblisch-theologischen Grundlagen, „dass wir für den Klimaschutz Verantwortung übernehmen müssen“, wie der Vorsitzende des Theologischen Ausschusses, Superintendent Olivier Dantine, bei der Vorstellung des Papiers vor der Generalsynode erklärte. „Die Klimakrise mahnt nachdrücklich zur Nächstenliebe für alle Geschöpfe“, sagte die Theologische Referentin des Bischofs, Eva Harasta. Gemeinsam mit Bischof Michael Chalupka, Universitätsprofessorin Annette Schellenberg und der Rektorin des Predigerseminars und Pastoralkollegs, Helene Lechner, hat Harasta in einer Arbeitsgruppe an dem Text gearbeitet. Nach mehreren Beratungen im Theologischen Ausschuss und einem insgesamt 19-monatigen Prozess lag nun das Papier zur Beschlussfassung vor.

Eva Harasta und Olivier Dantine bei der Vorstellung des Papiers vor der Generalsynode. (Foto: epd/Dasek)

Grundlegend verweist das Papier auf einen Vers, der in der Genesis mehrmals vorkommt: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Auch wenn einst und jetzt vieles nicht gut sei, halte der Glaube daran fest, dass die Erde unter dem Segen Gottes stehe. „In Bezug auf die Klimakrise gibt das eine wichtige Orientierung: Unser Verhalten als Teil der Schöpfung hat seinen letzten Halt nicht in uns, sondern in der Treue Gottes, der der Schöpfung den Segen gewährt“, heißt es weiter.

„Auf Gott, den Schöpfer, zu vertrauen“ baue auf der Einsicht auf, „dass sich das eigene Leben und die ganze menschliche Gesellschaft Grundlagen verdanken, die wir uns nicht selbst geschaffen haben“. Die Beziehung von Mensch und Natur habe sich stark verändert. Während sich frühere Generationen Naturgewalten ausgeliefert sahen, „ist dieses Leiden heute weit überwiegend eine Folge der Klimakrise“. Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer sei „nicht blind. Sie redet Ungerechtigkeit und Leiden nicht schön. Aber sie erkennt die Wohltaten Gottes in Vergangenheit und Gegenwart an – und wendet sich deshalb bewusst gegen Zynismus und Pessimismus“. Vielmehr lenke die „Einübung in Dankbarkeit“ den „Blick auf das Gute, das es zu bewahren gilt. Sie führt zur Frage, was dem Wohlwollen Gottes für die Schöpfung widerspricht“, wie die ungerechte Verteilung der Gaben und Kosten. So führe der Schöpfungsglaube zum Einsatz für Klimagerechtigkeit „weltweit und hier in Österreich“. Klimagerechtigkeit meine, dass die Kosten der Klimakrise gerecht verteilt werden müssen. Denn die besonders negativen und lebensbedrohlichen Folgen der Klimakrise betreffen, so die Evangelische Kirche, schon jetzt großteils Menschen, die sehr wenig zu ihr beigetragen haben. „Der Wohlstand, der dabei hilft, die negativen Folgen der Klimakrise abzufedern, ist weltweit und auch in Österreich höchst ungleich verteilt“, wird betont. „Als europäische Kirche gehören wir zu jenem Teil der Weltbevölkerung, der seit langer Zeit viel mehr natürliche Ressourcen in Anspruch nimmt, als ihm zustehen, und undankbar verschwendet, was doch gerecht zu teilen wäre.“

Umkehr und Neuanfang in Zeiten der Klimakrise

Es brauche eine Umkehr und einen Neuanfang: „Wir sind gefordert, in eine neue Lebensweise aufzubrechen. Wir sind gefordert, die Illusion grenzenloser Ressourcen aufzugeben.“ Das bedeute auch manchen Verzicht und „Abschied vom rücksichtslosen Ressourcenverbrauch für den eigenen Komfort“. „Als Kirche und als Einzelne heißt es jetzt die eigene Verantwortung und die Strukturen, die die Klimakrise verschärfen, wahrhaben und bekennen – und darum bitten, von Gott mit neuem Handeln begnadet zu werden“, ruft die Evangelische Kirche in dem Papier zum Tun auf.

Vor der Beschlussfassung haben sich die Mitglieder der Generalsynode im Rahmen eines Studientages in Kleingruppen intensiv mit dem Dokument befasst. (Foto: epd/Dasek)

Dazu gehöre etwa das Engagement für den Klimaschutz vor Ort, Unterstützung des kirchlichen Klimaschutzkonzepts, ein Bewusstsein dafür, welche Belastungen der eigene Lebensstil für andere verursacht, Unterstützung jener Menschen, die von den Folgen der Klimakrise besonders betroffen sind „und deren Ausbeutung unseren Lebensstil finanziert“, und auch mehr Dialog mit Menschen anderer Weltanschauungen oder Religionen, die sich ebenfalls für den Klimaschutz engagieren. „Wir wollen unser demokratisches Mitspracherecht als Bürger*innen und Wähler*innen für den Klimaschutz nutzen“, heißt es weiter. Gleichzeitig wolle man sich dafür einsetzen, dass jene, die nicht gehört werden, wie Armutsbetroffene, künftige Generationen, oder nichtmenschliche Geschöpfe, berücksichtigt werden.

Klimaschutz braucht strukturelle Veränderungen

Deutlich wendet sich das Papier gegen eine Haltung des Kleinmuts und der inneren Emigration oder auch gegen die „Heuchelei“ zu meinen, „mit den Worten sei die Tat getan“. Es brauche dagegen „neue Kraft und neuen Mut, um uns als Einzelne, aber auch als Pfarrgemeinden, als Superintendenzen und als Evangelische Kirche A. und H.B. sowie als diakonische und andere Werke sowie Einrichtungen öffentlich noch stärker für Klimaschutz einzusetzen“.

Klimaschutz brauche strukturelle Veränderungen, dafür will sich die Evangelische Kirche „auf allen politischen Ebenen“ einsetzen. Genannt werden hier rechtlich verbindliche Grundlagen, die am 1,5-Grad-Ziel und der Klimaneutralität 2040 festhalten. Alle Maßnahmen zum Klimaschutz sollten auf ihre sozialen Wirkungen bzw. ihre Verteilungswirkung überprüft und negative Auswirkungen auf Menschen mit wenig Einkommen und Vermögen mit sozialstaatlichen Mitteln ausgeglichen werden.

Kontraproduktive Förderungen für Kohle, Öl und Gas sollten gestrichen werden, „wir wollen uns ebenso für den möglichst raschen Umstieg auf erneuerbare Energien aussprechen“. Einsetzen will sich die Evangelische Kirche auch für Kostenwahrheit in der Mobilität und auf die „wahren Kosten des mit fossilen Rohstoffen betriebenen Verkehrs öffentlich hinweisen“. Es brauche ein Ende der autozentrierten Stadt- und Raumplanung und einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs (auch am Sonntag) sowie den Ausbau und die Pflege von Fußwegen und Radwegen.

Ressourcenschonende Modelle der Kreislaufwirtschaft wie z.B. Reparatur statt Neuanschaffung bräuchten mehr Akzeptanz, in der Landschaft will man „diejenigen unterstützen, die sich für eine Förderung der ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft einsetzen“. Agrarsubventionen sollten am Klimaschutz ausgerichtet werden.

Kosten für den Klimaschutz sollten sozial gerecht verteilt und Betroffene vor Ort unterstützt werden. Die eigene gesellschaftliche Verantwortung für historische Emissionen müsse in den Blick rücken. Gleichzeitig weist die Evangelische Kirche darauf hin, „dass die Klimakrise Migrationsbewegungen auslösen wird und bereits auslöst“. Für die Geflüchteten und Vertriebenen seien die lebensnotwendigen Leistungen bereitzustellen. Transitregionen der Klimamigration sollten unterstützt werden.

„Die Suche nach Gemeinschaft im Einsatz für den Klimaschutz kann nicht an den Kirchentüren enden“, ist die Evangelische Kirche überzeugt. Hier zeigten sich die transreligiösen, politischen und gesellschaftlichen Bezüge des Schöpfungsglaubens in der Klimakrise. „Als freie Kirche im freien Staat wollen wir auch öffentlich die Stimme erheben und den Gerechtigkeitsanliegen des Schöpfungsglaubens mehr Wirksamkeit verschaffen“, unterstreicht die Generalsynode der Evangelischen Kirche.

ISSN 2222-2464

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