11.09.2014

Schilling: Weder Verherrlichung noch Luther-Bashing

Historiker referierte über dunkle und fremde Seiten Martin Luthers

Der Luther-Biograph und Allgemeinhistoriker Heinz Schilling war zu Gast in Rutzenmoos, um über die hellen, aber auch dunklen Seiten des Reformators zu referieren. (Bild: epdÖ/S.Janits)

Historiker referierte über dunkle und fremde Seiten Martin Luthers

Rutzenmoos (epdÖ) – Die hellen und dunklen Seiten des Reformators Martin Luther stellte der deutsche Historiker Heinz Schilling, Autor der 2012 erschienen Biographie „Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs“, in den Mittelpunkt eines Vortrages. Als Allgemeinhistoriker sei es ihm ein Anliegen, die Bedeutung und die Person Luthers auch der säkularen Gesellschaft aufzuzeigen, gerade auch in Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017. „Dieses Jubiläumsjahr ist wichtig, auch für die Säkulargesellschaft insgesamt, die auch von Luther geprägt worden ist. Das muss man verständlich machen, das scheint die große Aufgabe zu sein“, erklärte Schilling bei seinem Vortrag am 10. September in Rutzenmoos. Werfe man einen Blick in die Geschichte der Reformationsjubiläen, so sehe man eine Tendenz, Luther zu verherrlichen und nur in einem guten Licht darzustellen. Davon rät Schilling aber ab, Luther hätte eben nicht nur positive, sondern auch viele negative Seiten gehabt.

Um den Reformator zu verstehen, müsse man Luther einerseits als Kind seiner Zeit wahrnehmen. Andererseits ließe sich Luther nicht für die Tendenzen seiner Zeit vereinnahmen. Weder war Luther ein Anhänger oder Verfechter der Reichsreformen zur damaligen Zeit, noch sei er den revolutionären Bewegungen zuzuordnen, wie dies in der marxistischen Geschichtsschreibung passiert sei. Vielmehr „steht Luther quer zu den Zeiten“, betont Schilling. Dies gelte es auch zu beachten, wenn man den Reformator nach heutigen Maßstäben beurteilt, etwa im Verhältnis Luthers gegenüber den Frauen. „Die Fremdheit Luthers müssen wir anerkennen. Wir dürfen nicht nur das suchen, was uns interessiert, sondern wir müssen auch die Dinge sehen, die uns heute fremd sind“, sagt Schilling und fügt hinzu: „Man muss Luther als einen Menschen sehen, der in seiner Zeit einfach anders tickte!“

Der Historiker plädiert dafür, den ganzen Luther – also die guten wie die schlechten Seiten – zu betrachten, denn auch die Reformation habe sich aus beiden Zügen ergeben. So sei Luther durch seine Trostbriefe als guter Seelsorger bekannt. Die Beziehung zu seiner Frau und seinen Kindern sei liebevoll gewesen. Der Reformator habe Kunst und Musik zu schätzen gewusst.

Gleichzeitig sei Luther aber auch ein schwieriger Charakter gewesen. Seine religiösen Überzeugungen habe er mit einem Absolutheitsanspruch versehen, der heute nicht mehr haltbar sei. Er habe Misstrauen gehegt allen gegenüber, die seine Meinung nicht zu hundert Prozent geteilt hätten, worunter auch sein Freund und Mitarbeiter Philipp Melanchthon gelitten habe. Dazu käme seine unglückliche Rolle im Bauernkrieg oder seine Haltung gegenüber Juden am Ende seines Lebens. „Luther war, das muss ich leider so sagen und das muss man von der Zeit heraus verstehen, nicht dialogfähig. Durch seinen Absolutheitsanspruch, seine Überzeugung, die einzige Wahrheit zu haben, konnte er dem Papst und den Juden nicht gegenübertreten“, so Schilling. Besonders am Lebensende hätten sich die negativen Züge Luthers verstärkt. „Mit dem zunehmenden Alter und kurz vor seinem Tod bekam er furchtbare Ängste, was aus seinem Werk wird. Aus diesen Ängsten heraus sind auch die Schriften gegen die Juden zu verstehen.“ Der Reformator sei zu Beginn seines Wirkens überzeugt gewesen, nicht nur die Kirche erneuern zu können. Er sei auch davon ausgegangen, Juden bekehren zu können, die nur deshalb noch nicht zu Christen geworden sind, weil sie das reine Evangelium noch nicht gehört hätten. Als sie trotz Luthers Verkündigung nicht zum Christentum wechselten, bezeichnete er sie unter anderem als verstockt und böswillig.

Bei der Darstellung des Reformators gehe es ihm darum, die dunklen Züge Luthers im Zeithorizont zu erklären, sie aus der Zeit heraus verständlich zu machen, erklärt Schilling. „Daraus darf sich aber keine billige Diffamierung ergeben, kein ‚Luther-Bashing'“.

In Blick auf das Reformationsjubiläums betont Schilling die Rolle Luthers. Ohne ihn hätte es die Reformation so nicht gegeben, zeigt er sich überzeugt. Hier komme auch wieder eine negative Seite Luthers zum Tragen: „Hätte Luther nicht diesen absolutistischen Wahrheitsanspruch gehabt, diese Kompromisslosigkeit, hätte es die Reformation nicht gegeben.“ Dennoch sieht Schilling Luther letztlich als gescheitert an. „Ich bin der Meinung, Luther ist gescheitert in dem Plan, die Universalkirche zu reformieren. Aber er hat dennoch Erfolg gehabt, in dem er die Reformation in den Landeskirchen gesichert hat.“

Heinz Schilling wurde vom Evangelischen Museum Oberösterreich nach Rutzenmoss eingeladen. Ulrike Eichmeyer-Schmid, die Leiterin des Museums, hob in ihrer Begrüßung lobend hervor, dass es Schilling gelungen sei, „das Andere, das Fremde an Martin Luther zu zeigen“. Der sehr gut besuchte Vortrag im Gemeindesaal der Pfarrgemeinde Rutzenmoos wurde von den Vöcklabrucker Holzbläsern musikalisch umrahmt.

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Reformation | Luther

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