02.06.2021

Salzburg: Ökumenischer Empfang mit Debatte über assistierten Suizid

Superintendent Dantine: „Knackpunkt“ in Diskussion ist Begriff der Selbstbestimmung

Ioan Moga von der rumänisch-orthodoxen Kirche, Superintendent Olivier Dantine, Erzbischof Franz Lackner, die Theologin Angelika Walser und Dietmar W. Winkler, Vorsitzender PRO ORIENTE Salzburg (v.l.). Foto: Erzdiözese Salzburg

Superintendent Dantine: „Knackpunkt“ in Diskussion ist Begriff der Selbstbestimmung

Salzburg (epdÖ) – Um eine gemeinsame Ethik der Konfessionen ging es beim diesjährigen Ökumene-Empfang des Salzburger römisch-katholischen Erzbischofs Franz Lackner. Über deren Gegenwart und Zukunft – etwa mit Blick auf die akute Debatte zum assistierten Suizid – referierte bei der Veranstaltung am Dienstag, 1. Juni, im Salzburger Kardinal-Schwarzenberg-Haus die römisch-katholische Moraltheologin Angelika Walser. Repliken kamen unter anderem vom Salzburger und Tiroler evangelischen Superintendenten Olivier Dantine. In seinem Grußwort vor zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der Salzburger Ökumene und der Stiftung PRO ORIENTE Salzburg plädierte Erzbischof Lackner für ein „neues Bewusstsein für die besondere Bedeutung von religiösen Begründungswegen in der Ethik“.

Lackner: Religion als Ethik stiftende Grundlage

Lackner empfahl die Religion als Ethik stiftende Grundlage: „Transzendente Fundierungen können im Bereich der Ethik etwas leisten, wozu andere nicht fähig sind. Das lässt sich etwa am Begriff der Menschenwürde zeigen.“ Denn, „es macht einen Unterschied, ob Menschenwürde diskurstheoretisch, vertragstheoretisch oder eben theologisch im Gedanken der Gottebenbildlichkeit fundiert wird“. Angesichts der zunehmenden Marginalisierung des Christentums in gesellschaftlichen Fragen erhielten die unterschiedlichen Aussagen der christlichen Kirchen im Bereich der Ethik und der Lehre vom Menschen eine besondere Brisanz, so Lackner. „Diesen fundierenden Zusammenhang zwischen christlicher Religion und dem Gedanken der Menschenwürde gilt es wieder neu ins Bewusstsein zu rufen.“

Walser: Selbstbestimmungsparadigma eher trennend als einend

Die Salzburger Theologin Angelika Walser ging in ihrem Vortrag auf die Themen assistierter Suizid, Embryonenforschung und homosexuelle Partnerschaften ein. In Bezug auf den assistierten Suizid hielt sie fest, „dass das Selbstbestimmungsparadigma am Lebensbeginn und Lebensende die christlichen Konfessionen derzeit eher trennt als eint“. Eher Konsens herrsche zwischen den Konfessionen, wenn es um die Ethik der Verantwortung füreinander geht. Dies zeige sich im bedingungslosen Annehmen des anderen.

Ob den Kirchen für die längerfristige Entwicklung einer ökumenischen Ethik noch Zeit bleibe sieht Walser kritisch und verknüpft sie mit der Frage nach dem gemeinsamen Mahl: „Die Kraft zur notwendigen Fokussierung speist sich jedoch aus dem gemeinsamen Mahl. Solange wir hier nicht zusammenfinden, wird auch das Projekt ‚Ökumenische Ethik‘ sein zweifellos großes Potential für diese Welt nicht voll entfalten können.“

Dantine: In Ökumene zunächst über Grundbegriffe verständigen

Theologische Antworten auf den Vortrag kamen von Superintendent Olivier Dantine und von Ioan Moga, Professor an der Universität Wien im Bereich Ostkirchenkunde und Priester der rumänisch-orthodoxen Kirche. Dantine nahm eingehend auf die Frage nach dem assistierten Suizid Bezug, dem sich die evangelische Synode in einem Studientag Mitte Juni widmet. Der „Knackpunkt“ in der Diskussion sei das Verständnis des Begriffs der Selbstbestimmung und der Autonomie. Diese seien relational aus der Angewiesenheit des Menschen auf Gott zu verstehen. Zugleich könne es existentielle Konfliktfälle geben, in denen Barmherzigkeit gefragt sei. „Deshalb sollte nach juristischen Wegen gesucht werden, wie in einzelnen extremen Fällen der Barmherzigkeit Genüge getan werden kann“, zitierte Dantine aus einem Argumentarium der Diakonie.

Völlig undenkbar seien für ihn „Maßnahmen der Kirchenzucht“ gegen Menschen, die fest entschlossen sind, assistierten Suizid für sich in Anspruch zu nehmen, oder einer solchen Bitte nachkommen. Im Bemühen um eine „Ökumenische Ethik“ gehe es zunächst darum, sich über Begriffe wie Selbstbestimmung zu verständigen und gegenseitige Missverständnisse aufzuklären. „Schließlich sind wir als unterschiedliche Kirchen aufeinander angewiesen. Daher stimme ich Ihnen zu, dass ein Prozess des Aufeinander-Hörens, des Einander-zu-verstehen-Versuchens, des Miteinander-Kommunizierens einerseits notwendig ist, andererseits auch lohnend.“

Moga: Keine dekonstruktive Bibelhermeneutik

Ioan Moga wiederum will keine Ethik auf Kosten der Dogmatik, aber auch nicht umgekehrt. „Wir müssen mit diesen scheinbaren Sackgassen leben“, sagte der rumänisch-orthodoxe Priester. Die orthodoxe Kirche sehe die Spannung, müsse sich aber in der Frage zwischen Sozialethik und Erlösung auf die Seite der Erlösung durch Christus stellen. Auf keinen Fall dürfe es aber „zu einer dekonstruktiven Bibelhermeneutik kommen“, wenn in den Augen der säkularen Gesellschaft eine Bibelstelle gegen einen Wert der modernen Gesellschaft stehe, sagte Moga. Schließlich müsse aber auch die faire Frage in Bezug auf ethische Problemfelder gestellt werden: „Wer bestimmt die ethisch-ökumenische Agenda?“

Monika Kalista geehrt

Im Rahmen der Vorbereitungssitzung der Sektion PRO ORIENTE SALZBURG ehrte Erzbischof Lackner Monika Kalista, ehemalige Leiterin der Abteilung für Kultur, Gesellschaft, Generationen des Amtes der Salzburger Landesregierung, für ihre langjährigen Verdienste in der Sektion. Der Ökumenische Empfang findet jährlich anlässlich der Gebetswoche für die Einheit der Christen statt (18. bis 25. Jänner) und wird von der Stiftung PRO ORIENTE Sektion Salzburg organisiert. Heuer konnte er aufgrund der Corona-Pandemie erst am 1. Juni stattfinden.

ISSN 2222-2464

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