24.07.2002

Rowan Williams wird neuer anglikanischer Primas

Der Waliser Rowan Williams tritt die Nachfolge von Erzbischof George Carey an

Der Waliser Rowan Williams tritt die Nachfolge von Erzbischof George Carey an

London, 24. Juli 2002 (epd Ö) Neuer anglikanischer Erzbischof von Canterbury und damit Primas der Kirche von England ist Rowan Williams. Königin Elisabeth II., Oberhaupt der englischen Staatskirche, hat die Ernennung des bisherigen anglikanischen Erzbischofs von Wales und Bischofs von Monmouth zum neuen Primas bekannt gegeben, teilte das Büro von Premierminister Tony Blair am Dienstag, 23. Juli, in London mit. Damit wird zum ersten Mal seit mehr als 1.000 Jahren ein Waliser Chef nicht nur der englischen Kirche, sondern auch Ehrenprimas der 70 Millionen Mitglieder zählenden anglikanischen Weltgemeinschaft. Williams tritt die Nachfolge von Erzbischof George Carey an, der Ende Oktober aus Altersgründen in den Ruhestand tritt.

Der 1950 im walisischen Swansea geborene Williams gilt als hervorragender Theologe. Williams befürwortet das Frauenpriestertum, das auch zehn Jahre nach Einführung in der anglikanischen Kirche von England immer noch umstritten ist. Er fordert die Abschaffung des Systems der Staatskirche und sprach sich mehrfach für die Gleichbehandlung von Homosexuellen in der Kirche sowie für die kirchliche Wiederheirat Geschiedener aus. Auch vor politischen Fragen hat der neue Primas keine Scheu. So verurteilte er energisch den Militäreinsatz in Afghanistan und warnte wiederholt vor einem neuerlichen Schlag gegen den Irak.

Sein erstes Buch veröffentlichte Williams im Alter von 29 Jahren. Nur sieben Jahre später wurde er zum jüngsten Professor in der Geschichte der Elite-Universität Oxford berufen; später wechselte er zur rivalisierenden Universität Cambridge. Nach langjähriger wissenschaftlicher und seelsorgerlicher Tätigkeit – immer wieder von langen Auslandsreisen etwa nach Indien und Südafrika unterbrochen – wurde Williams 1991 zum Bischof von Monmouth ernannt. Seit Februar 2002 ist er Erzbischof von Wales. „Er ist einer der äußerst seltenen religiösen Führer, die gleichzeitig enormen Respekt und Zuneigung hervorrufen“, beschrieb die englische Tageszeitungs-Kolumnistin Mary Ann Sieghart kürzlich den neuen Primas.

Die traditionell von starken Flügelkämpfen betroffene anglikanische Kirche von England respektiert den hervorragenden Theologen Williams. Er gilt als herausragender Vordenker. Selbst die Debatten über sein Eingeständnis, er habe bereits wissentlich einen praktizierenden Homosexuellen zum Priester geweiht, konnten seine Ernennung nicht ernsthaft gefährden. Die königliche Ernennungskommission setzte nach einem ausführlichen Beratungsprozess Williams an die erste Stelle der Zweierliste, die dem Premierminister vorgelegt wurde. Blair folgte dieser Empfehlung, obwohl sich Williams mit seinen Anti-Kriegs-Stellungnahmen bei ihm alles andere als beliebt gemacht hatte.

Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger und emeritierte anglikanische Erzbischof Desmond Tutu sagte unlängst über seinen walisischen Amtskollegen, er „überrage alle anderen Kandidaten um mehrere Haupteslängen“. Zudem habe Williams eine unvergleichliche Art der Kommunikation und verfüge über „eine tiefe Spiritualität“. Viele gesellschaftliche Gruppen trauen offensichtlich dem neuen Erzbischof von Canterbury zu, die vom Säkularismus zutiefst in Mitleidenschaft gezogene anglikanische Staatskirche wieder zu einem bedeutenden gesellschaftlichen und religiösen Faktor werden zu lassen – ein Erfolg, der seinem eher zurückhaltenden Vorgänger George Carey in zehn Jahren Amtszeit verwehrt blieb.

ISSN 2222-2464

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