15.04.2005

Religionsunterricht stärkt gesellschaftliche Diskursfähigkeit

Breiter Konsens für Verbleib des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen – Podiumsdiskussion anlässlich der Wiener „Woche des Religionsunterrichts“

Breiter Konsens für Verbleib des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen – Podiumsdiskussion anlässlich der Wiener „Woche des Religionsunterrichts“

Wien (epd Ö) – Dass der konfessionelle Religionsunterricht an öffentlichen Schulen stattfindet, ist „sinnvoll“ und „notwendig“. Dieses Fazit zog eine hochrangig besetzte Podiumsdiskussion am Mittwoch, 13. April, im Wiener Schulschulrat. Im Rahmen der „Woche des Religionsunterrichts“ diskutierten unter der Leitung von Renata Schmidtkunz der evangelische Oberkirchenrat Michael Bünker, der römisch-katholische Universitätsprofessor für Religionspädagogik, Martin Jäggle, der altkatholische Bischof Bernhard Heitz, der griechisch-orthodoxe Theologe Grigorios Larentzakis, Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, der Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakfeh, sowie die Bildungssprecherin der Wiener Grünen, Susanne Jerusalem.

Für Michael Bünker leistet der konfessionelle Religionsunterricht einen dreifachen Beitrag: Er stelle eine „Urteilsfähigkeit hinsichtlich der persönlichen Überzeugungen wie der gesellschaftlichen Herausforderungen“ her, die der Mündigwerdung und der Wahrheitsfindung dienen. Zudem halte der Religionsunterricht „die Gottesfrage offen“ und stärke aufgrund seiner pluralen Anlage die „Diskursfähigkeit“ der Schüler. Die konfessionelle Bindung des Religionsunterrichtes habe außerdem eine positive Wirkung auf die Religionsgemeinschaften selbst, da sie damit vor der Herausforderung stünden, sich in der Öffentlichkeit und in Anerkennung der Pluralität der Wahrheiten verständlich und friedlich zu artikulieren.

Die grüne Gemeinderätin Susanne Jerusalem bezeichnte Religion als „großen Bestandteil unserer Kultur“ und als Ort der bleibenden, „großen Fragen des Lebens“. Ein Wissen von der Religion in ihrer Vielfalt sei ein „selbstverständlicher Teil einer ganzheitlichen Bildung“, die die Heranwachsenden dazu befähigen solle, sich ein eigenes Urteil über die zahlreichen religiösen Angebote zu bilden.

Pluralität einüben

Der Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakfeh, widersprach dem Plädoyer Jerusalems für einen in erster Linie religionswissenschaftlich ausgerichteten Unterricht. Religion müsse auch im Unterricht „eine ganzheitliche Sicht auf das Leben bieten“. Die Komplexität dieser Sichtweise mache eine Pluralität der Antwortmöglichkeiten notwendig, die sich in der Pluralität des konfessionellen Religionsunterrichtsangebotes widerspiegele, so Schakfeh. Nur wenn es gelingt, diese Pluralität auch einzuüben, wäre ein „Leben in Frieden und Freundschaft“ möglich.

Grigorios Larentzakis von der griechisch-orthodoxen Kirche betonte die „doppelte Dimension“, durch die der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen die Bildung und Ausbildung bereichere. So vermittle er sowohl die „vertikale Ebene“,die Beziehung des Menschen zu Gott, als auch die „horizontale Ebene“, nämlich die Beziehung der Menschen untereinander. Der Religionsunterricht wird damit laut Larentzakis zu einem wichtigen Markstein einer „Bildung des Menschen in der Vielfalt all seiner Dimensionen“.

Sehnsucht nach Halt und Orientierung

Keinen Grund zur Sorge um die Legitimation des Religionsunterrichtes an öffentlichen Schulen sieht der Bischof der altkatholischen Kirche, Bernhard Heitz. Die säkularisierte Welt stoße derzeit „überall an ihre Grenzen“ und lasse „die Sehnsucht des Menschen nach Religion, nach Beziehung, nach Halt und Orientierung“ erneut aufbrechen. Der konfessionelle Religionsunterricht könne daher gezielt dazu beitragen, nicht nur über Religion und Tradition zu informieren, sondern „ein gläubiges Leben zu ermöglichen, gesellschaftliche Verantwortung und die persönliche Bindungsfähigkeit zu fördern.“

Der Oberrabbiner der israelitischen Kultusgemeinde, Paul Chaim Eisenberg, sieht im Religionsunterricht „den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Kindern aus religiösem und Kinder aus weniger religiösem Hause“. Eine offene und dringliche Frage sei es, so Eisenberg, in welchem Verhältnis die Information über die eigene und die anderen Religionen zu der Lehre der Religion selbst stehen sollte. Eisenberg hielt es in dieser Frage für sinnvoll, beides soweit zu integrieren, dass die Kinder zunächst lernen müssen, aus welcher eigenen Tradition sie kommen, um daraus einen „Brückenkopf zum Anderen“ bilden zu können. Wer nichts von seiner eigenen Tradition wisse, könne später auch keine eigenständige und fundierte Wahl treffen.

Keimzelle der Kultur gegenseitiger Anerkennung

Der römisch-katholische Religionspädagoge Martin Jäggle sieht das Spezifische gerade des konfessionell gebundenen Religionsunterrichtes darin, „eine Keimzelle der Kultur gegenseitiger Anerkennung“ zu bilden. „Die Schule“, so Jäggle, „ist der einzige Ort in der Gesellschaft, wo ein Dialog über die verschiedenen Wahrheitsansprüche tatsächlich stattfinden kann.“ Zugleich sichere der Religionsunterricht damit die „Widerstandsfähigkeit gegen den Trend zum Relativismus und zur Gleichgültigkeit“ und sorge dafür, „dass die vorletzten Fragen nicht für die letzten gehalten werden.“

ISSN 2222-2464

Diesen Beitrag teilen

Newsletter abonnieren

Der Newsletter von evang.at mit den wichtigsten Nachrichten des Evangelischen Pressedienstes (epd) ist kostenlos und erscheint in der Regel einmal pro Woche am Mittwoch.