19.03.2009

Religionspädagoge Adam: „In die Schule gehört das Fach Ethik neben Religion“

Expertinnen und Experten diskutierten an der Wiener Universität über die Einführung des Ethikunterrichts an österreichischen Schulen

Expertinnen und Experten diskutierten an der Wiener Universität über die Einführung des Ethikunterrichts an österreichischen Schulen

Wien (epd Ö) – Einigkeit über den guten Sinn eines Ethikunterrichts, der alternativ zum konfessionellen Religionsunterricht an österreichischen Schulen angeboten wird, herrschte in einer Podiumsdiskussion von ExpertInnen des Bildungs- und Schulwesens am 18. März im Großen Lesesaal der Universitätsbibliothek in Wien.

In dem vom ehemaligen Dekan der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften Peter Kampits moderierten Gespräch mit dem Thema „Ethikunterricht – mehr als ein Lehrfach“ fragte der frühere Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät Wien, Gottfried Adam: „Kann die Schule es sich leisten, ethisch nicht zu erziehen?“ Der Religionspädagoge gab selbst die Antwort: „In die Schule gehört das Fach Ethik neben Religion. Die Schüler haben eines der Fächer zu wählen.“ Vermittlung von Ethik sei eine grundlegende Aufgabe der Schule im allgemeinen Fächerkanon, im Miteinander innerhalb der Schule sowie im Fach Ethik.

Ebenso, so Adam, müssten auch im Religionsunterricht neben den Fragen des Glaubens Fragen der Ethik behandelt werden. Ziel dieser Erziehung sei es, dass die SchülerInnen „durch Erfahrung, Handlung und Reflexion“ eine Kompetenz in ethischen Fragen gewinnen und sich selbst eine Position erarbeiten können.

Ausdrücklich wandte sich Adam gegen das Verständnis des Ethikunterrichts als eines „Ersatzfaches“. Damit nehme man die SchülerInnen, die sich für dieses Fach entschieden haben, nicht ernst.

Dass Ethik „ein besonders schwieriges Gebiet“ sei, das viele Schichten der Persönlichkeit betrifft und an dem viele Probleme der heutigen Gesellschaft deutlich werden, darauf machte die Rektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems Ulrike Greiner aufmerksam. Die Fächer Religion und Ethik „fordern sich wechselseitig heraus“, erklärte die Rektorin und verwies auf den Lehrgang für Ethiklehrer, den ihre Hochschule in Zusammenarbeit mit der Universität Wien erfolgreich durchführe, der aber derzeit aus finanziellen Gründen „ein bisschen in Schwebe“ sei. Greiner: „Ich bin optimistisch, dass er im Herbst fortgeführt werden kann.“

Sehr gute Erfahrungen mit Schulversuch

Von „sehr guten Erfahrungen“ mit dem Schulversuch Ethik an seiner Schule berichtete der Direktor des Oberstufenrealgymnasiums Hegelgasse Michael Jahn: „Es war eine win-win-Situation für SchülerInnen und LehrerInnen.“ Als Vorteile eines alternativen Ethikunterrichts nannte Jahn unter anderem die Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und Religionen sowie des Eingehens auf Sinnkrisen bei pubertierenden Jugendlichen, aber auch die Lösung des Problems der Beaufsichtigung von SchülerInnen, die am konfessionellen Religionsunterricht nicht teilnehmen. Dass die Schule für die Finanzierung des Ethikunterrichts aufkommen müsse, sei allerdings „eine Schande“.

Ethik als Unterrichtsprinzip in allen Gegenständen forderte die ÖVP-Nationalrätin Katharina Cortolezis-Schlager. Auch für die Politikerin ist der nunmehr 12 Jahre laufende Schulversuch mit dem Fach Ethik eine sinnvolle Ergänzung zum konfessionellen Religionsunterricht, er werde von den SchülerInnen gut angenommen. Daher, so Cortolezis-Schlager, sollten die vorliegenden Ergebnisse des Versuchs möglichst rasch umgesetzt werden, zumal von der Regierung für die nächsten sechs Jahre eine Bildungsoffensive mit einem entsprechend gesteigerten Budget geplant sei.

Allerdings gebe es derzeit zwischen den Parteien keine politische Annäherung in der Frage, ob der Ethikunterricht den Religionsunterricht ersetzen oder alternativ angeboten werden solle. Die Politikerin warnte auch davor, das Problem mit der aktuellen Debatte um die von Bundesministerin Claudia Schmied geforderten zwei zusätzlichen Schulstunden für LehrerInnen zu verknüpfen.

Oberkirchenrat Schiefermair: Welche Ethik?

Die Frage nach den in einem staatlichen Ethikunterricht vermittelten Inhalten und Werten wurde in der Diskussion mit dem zahlreich erschienenen Publikum gestellt. So fragte der für den Religionsunterricht zuständige lutherische Oberkirchenrat Karl Schiefermair kritisch, ob die kürzlich zu beobachtende öffentliche „Hatz“ gegen den Religionsunterricht der Glaubensgemeinschaft des Islam und die Debatte um die Einführung eines Ethikunterrichts lediglich ein „Vorspiel“ dafür seien, dass sich der Staat den Werteunterricht „krallen“ wolle. Unklar sei auch, um welche Ethik es sich dann handeln werde.

Wie Adam einräumte, sei diese Frage nicht geklärt. Die Grenzen eines Ethikunterrichts seien jedenfalls von der Verfassung und ihren Werten bestimmt. In diesem Zusammenhang schlug der Religionspädagoge die Bildung eines unabhängigen Gremiums aus verschiedenen gesellschaftlichen Kräften sowie aus Fachexperten zur Überwachung des Lehrplans des Ethikunterrichts vor.

ISSN 2222-2464

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