15.02.2006

Religionsgemeinschaften am Runden Tisch mit Bundeskanzler und Außenministerin

Schüssel fordert mehr Sensibilität gegenüber Religionen – Sturm: „Müssen erkennen, dass andere Kulturen bereichern, nicht verängstigen“ – Schönborn: Miteinander der Religionen ist möglich

Schüssel fordert mehr Sensibilität gegenüber Religionen – Sturm: „Müssen erkennen, dass andere Kulturen bereichern, nicht verängstigen“ – Schönborn: Miteinander der Religionen ist möglich

Wien, 13. Februar 2006 (epd Ö) – Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat am Montag die Veröffentlichung von Holocaust-Karikaturen im Iran verurteilt. Man verstehe die Sensibilität der moslemischen Welt, aber auch in der Reaktion auf die dänischen Mohammed-Karikaturen müsse „die Balance gefunden werden“. „Gewaltanwendung“, „Symbolmissbrauch“ und die Verletzung von anderen Tabus wie dem Holocaust seien zu verurteilen, so Schüssel nach einem Treffen mit Vertretern der christlichen, jüdischen und islamischen Glaubensgemeinschaft in Wien. Gemeinsam mit den Vertretern der Religionsgemeinschaften lobte Schüssel die Gesprächskultur in Österreich als vorbildlich für Europa. Auch Außenministerin Ursula Plassnik betonte die Bedeutung des Dialogs der Kulturen, damit „aus dem Nebeneinander der Kulturen ein Miteinander wird“. Dies werde Österreich als „sensiblen und glaubwürdigen Beitrag“ auf EU-Ebene einbringen. Im Mai will Plassnik eine weitere Konferenz unter dem Titel „Dialog der Zivilisationen“ abhalten. Eine erste Islam-Konferenz hatte es im November gegeben.

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Shakfeh, sieht angesichts der Gesprächsbereitschaft der Regierung keinen Anlass für Demonstrationen in Österreich. Regierung, Medien und Gesellschaft würden auf die Islamische Glaubensgemeinschaft hören, so Shakfeh. „Ich habe keine Notwendigkeit für eine große Demonstration in Österreich gefunden.“ Die für April geplante Imame-Konferenz in Wien soll sich ebenfalls mit dem Karikaturen-Streit befassen.

Shakfeh kritisierte zwar, dass „manche Reaktionen“ auf die dänischen Karikaturen „weit überzogen“ gewesen seien. In Europa habe es aber keine Ausschreitungen gegeben. Wenn die Muslime etwas kritisieren wollen, „dann sollen sie das mit Argumenten und Dialogbereitschaft dokumentieren und nicht mit Gewalt“, appellierte Shakfeh. Mit dem Abdruck der Karikaturen durch österreichische Zeitungen hat Shakfeh übrigens kein Problem. Zur „Berichterstattung“ über den Konflikt sei der Abdruck zulässig, sagte er am Rande des Treffens.

Österreichisches Dialogmodell

Der jüdische Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg sagte nach dem Treffen, dass die Pressefreiheit auch mit Verantwortung verbunden sei. Diese beginne dann, „wenn die Gefahr der Verletzung anderer besteht“, so Eisenberg, der „Mäßigung von allen Seiten“ forderte. Schließlich könne auch die Provokation eine Form der Beleidigung darstellen. Eisenberg hob die Notwendigkeit hervor, Probleme anderer auch zu erkennen und damit sensibel umzugehen.

Der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm lobte das österreichische Dialogmodell und betonte insbesondere das hohe Maß an Sensibilität aller vertretenen Religionen und Religionsgemeinschaften: „Wir müssen erkennen, dass andere Kulturen bereichern, nicht verängstigen.“ Auch der griechisch-orthodoxe Metropolit Michael Staikos bezeichnete die interreligiöse Infrastruktur in Österreich als beispielhaft für ganz Europa und hob die Rolle der Religion als Teil der Identität hervor. Es sollten nicht alle mit einer Stimme sprechen, sondern jede einzelne Stimme durch andere ergänzt werden. „Wir müssen andere als Bereicherung, nicht als Belastung erkennen“, so Staikos.

Ein Miteinander verschiedener Religionen und Kulturen ist möglich, erklärte Kardinal Christoph Schönborn. „Unser Gespräch hat gezeigt, dass wir in Österreich einen Weg gehen, der sich bewährt hat. Dieser Weg ist möglich und hat auch für Europa Modellcharakter. Wir haben in unserem Land eine sehr gute Gesprächskultur. Ich möchte den Österreicherinnen und Österreichern Mut machen, daran zu glauben, dass wir diesen Weg des Dialogs gehen können“, sagte der Kardinal.

ISSN 2222-2464

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