18.01.2013

Reiner: „Jenen, die Hass säen, gilt es zu widerstehen“

Oberkirchenrätin mahnt Solidarität mit verfolgten MitbürgerInnen ein

Christinnen und Christen hätten heute die Aufgabe, sich gemeinsam mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern schützend vor all jene zu stellen, die Verhöhnungen ausgesetzt sind und offensichtlich Unterstützung suchen und brauchen, sagte Oberkirchenrätin Hannelore Reiner beim Gottesdienst zum "Tag des Judentums" in Wien. (Foto: epdÖ/M.Uschmann)

Oberkirchenrätin mahnt Solidarität mit verfolgten MitbürgerInnen ein

Wien (epdÖ) – An das Schicksal der österreichischen Jüdinnen und Juden und die Rolle der Christinnen und Christen während der Nazi-Zeit erinnerte die evangelisch-lutherische Oberkirchenrätin Hannelore Reiner bei ihrer Predigt beim Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich anlässlich des „Tages des Judentums“ am 17. Jänner in Wien. Sie erinnerte daran, dass die Bewohnerinnen und Bewohner Jerusalems immer wieder durch fremde Eroberer in kriegerische Auseinandersetzungen involviert und furchtbaren Repressalien ausgesetzt waren.

„Auch österreichische Christinnen und Christen haben in den Märztagen vor 75 Jahren in Wien und anderswo jüdische Frauen und Männer jeden Alters verspottet und verhöhnt“, sagte Reiner. „Immer neu ist da zu fragen: Wo waren die Christinnen und Christen, die entschieden und klar ihr Nein gesagt haben? Wo waren jene, die sich schützend und bergend vor ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger gestellt haben?“ Zwar habe es sie gegeben, räumte die Oberkirchenrätin ein, allerdings seien es zu wenige gewesen, um eine tatsächliche Schutzmacht zu bilden.

Die zunehmenden Attacken gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger in den vergangenen Monaten – die Zahl der gemeldeten Vorfälle verdoppelte sich von 71 im Jahr 2011 auf 135 im Jahr 2012 – verurteilte Reiner deutlich. Christinnen und Christen hätten heute die Aufgabe, sich gemeinsam mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern schützend vor all jene zu stellen, die solchen Verhöhnungen ausgesetzt sind und offensichtlich Unterstützung suchen und brauchen. „Jenen aber, die neuen Hass säen, gilt es zu widerstehen, jeder und jede an dem Platz, wo er und sie hingestellt ist.“

„Wir befinden uns in einer Situation, in der die Gewaltbereitschaft insgesamt steigt“, betonte auch der Wiener Weihbischof Franz Scharl. Auch wenn die Ursachen für diese Gewaltbereitschaft nicht immer nachvollziehbar wären, sei jeder Einzelne dazu aufgerufen, dort Zivilcourage zu zeigen, wo die Möglichkeit dazu bestehe. Wie in vielen anderen Fällen, so Scharl weiter, gehe es letztlich um eine Begegnung unter Menschen. Durch die gegenseitige Anerkennung wäre auch hier viel gewonnen, zeigt sich der Weihbischof überzeugt und sieht darin, dass der „Tag des Judentums“ unmittelbar vor der Einheit der christlichen Kirchen gefeiert wird, ein „wunderbares Zeichen für die gemeinsame Wurzel, aus der wir kommen“.

Als mögliches Zeichen sieht Scharl auch die „Steine der Erinnerung“, die die Erinnerung an die Opfer des Holocausts wachhalten sollen. Bisher seien solche Steine jedoch erst vor zwei Wiener Kirchen, der Kirche St. Nepomuk und der Kirche am Tabor, angebracht worden, erklärte der Weihbischof.

Auch ÖRKÖ-Vorsitzender Bischofsvikar Nicolae Dura ist „froh darüber“, dass der Gottesdienst als Erinnerung an gemeinsame Wurzeln dient. So sei das Judentum immer „sehr bereichernd für alle Christen“. Dura erkannte in der Veranstaltung jedoch nicht nur einen „wichtigen Rückblick in unsere Vergangenheit“, sondern auch eine Perspektive für die Zukunft und ein besseres Zusammenleben. So müsse die zunehmende Anzahl diskriminierender Vorfälle „uns Christen davon überzeugen, dass wir gemeinsam etwas bewegen müssen“, wie Dura nach einer kurzen gemeinsamen Andacht am „Stein der Erinnerung“ erklärte.

ISSN 2222-2464

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