06.03.2013

Reiner: „Jeder hat auch Leitungsverantwortung“

Ökumenischer Studiennachmittag: Amt und Leitung der Kirchen

Mit dem Thema "Amt und Leitung" befasste sich ein ökumenischer Studiennachmittag in Wien. Im Bild die evangelisch-lutherische Oberkichenrätin Hannelore Reiner. (Foto: epdÖ/M.Uschmann)

Ökumenischer Studiennachmittag: Amt und Leitung der Kirchen

Wien (epdÖ) – „Jede/r getaufte und glaubende ChristIn trägt auch Mitverantwortung für die Gestalt der Kirche und hat damit auch eine Leitungsverantwortung“, betonte Oberkirchenrätin Hannelore Reiner bei einem ökumenischen Studiennachmittag der „Theologischen Kurse“ und der Stiftung „Pro Oriente“ zum Thema „Amt und Leitung der Kirche“ am 1. März in Wien.

In der evangelischen Kirche werden alle Ämter durch Wahl besetzt, erklärte Reiner in ihrem Vortrag. Dabei handle es sich aber nicht um das bloße Finden von Stimmenmehrheiten, viel mehr würden dem Wahlvorgang gottesdienstliche Feiern und öffentliche Hearings vorausgehen, die Wahlen selber würden durchgeführt unter Gebet und Segen. Wer dann für eine Amtszeit von sechs beziehungsweise zwölf Jahre gewählt wird, habe die Aufgabe, die Kirche gemeinsam mit anderen im Kollegium zu leiten. Seit langer Zeit sei es auch für Frauen möglich, sich in alle Ämter der Kirche wählen zu lassen. Heute seien rund ein Drittel aller Pfarrstellen mit Pfarrerinnen besetzt, immer mehr Kuratorinnen würden gemeinsam mit PfarrerInnen Gemeinden leiten. Dennoch gäbe es nach wie vor kaum Frauen in geistlichen Leitungsämtern, bemängelte Reiner, die als einzige Frau dem Kollegium des Oberkirchenrats angehört.

Zuhören sei für alle wichtig, die eine kirchenleitende Funktion innehaben, hielt Reiner fest. „Sowohl in der deutschen als auch in der englischen Sprache hängen die Verben antworten und response mit verantworten und responsible zusammen“, so die Oberkirchenrätin. „Damit weist die moderne Organisationstheorie darauf hin, dass gute Leitung zunächst einmal aufmerksames Hören und Hinhören bedeutet und erst in einem zweiten Schritt Antworten und Verantwortung gefragt sind.“ Diese Gespräche seien nicht nur für MitarbeiterInnen wichtig, sondern auch für jene, die in einer Leitungsposition sind. Nur so würden sie erfahren, „wo der Schuh drückt“ und wo es Probleme gibt.

Reiner erinnerte auch daran, dass laut dem Augsburger Bekenntnis kirchenleitende Personen durch und aus dem Wort Gottes überzeugen müssen und nicht etwa durch Macht und Gewalt. „Ich denke, an diesem Punkt sind die christlichen Kirchen im 21. Jahrhundert sehr nah zusammen gerückt“, sagte Reiner. Die Leitung allein durch das Wort Gottes sei jedenfalls eine schwierige und immer neu zu klärende Selbstverpflichtung, besonders in Krisenzeiten. Als hilfreich habe sich hier das kollegiale System erwiesen, durch das die evangelische Kirche geleitet werde. Der presbyterial-synodale Aufbau der Kirche habe in Österreich eine lange Tradition zurück bis zu den Anfängen der Reformation in Österreich. Im Gegensatz zur römisch-katholischen werden in der evangelischen Kirche alle Ämter durch Wahl besetzt, die drei Ebenen der Kirche – Gesamtkirche, Diözese, Pfarrgemeinde – werden von hauptamtlichen und ehrenamtlichen gemeinsam geleitet.

Ohne die Fähigkeit zu Selbstkritik und den Mut zu Reformen kann es in der Ökumene keine Fortschritte geben, sagte die russisch-orthodoxe Ordensfrau und Theologin Vassa Larin. Es brauche „den Mut, die Wahrheit zu sagen“, sonst blieben notwendige Veränderungen aus. Die Ordensfrau nahm dabei vor allem ihre eigene Kirche in die Pflicht. So werde der Begriff der Tradition in der russischen Orthodoxie nicht dynamisch gesehen, überdacht gehöre weiters die Stellung der Frau in der Kirche. Auch der Umgang mit den Mitgliedern der Punkband Pussy Riot, die nach einer Protestaktion in der Moskauer Erlöserkathedrale zum Teil langjährige Haftstrafen absitzen müssen, sei unangemessen, so Larin. Die Orthodoxie als Ganze brauche dringend ein panorthodoxes Konzil, um wichtige interne strukturelle Fragen zu klären und im Anschluss gestärkt in den weiteren ökumenischen Prozess gehen zu können. Reformen seien immer auch ein „Zeichen des Mutes und der Stärke des Glaubens“, so Larin, „denn wer stark ist im Glauben braucht auch keine Angst davor zu haben, äußerliche Regeln zu verändern“.

Die vorgesehene katholische Referentin Sabine Demel, Professorin für Kirchenrecht an der Universität Regensburg, musste ihre Teilnahme kurzfristig absagen.

ISSN 2222-2464

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