28.10.2011

Reformationsempfang: Ehrenamt im Mittelpunkt

Anneliese Rohrer: Aktives Engagement für Demokratie statt "Karaoke der Verärgerten"

Reformationsempfang 2011: Ehrenamt braucht unterstützende Rahmenbedingungen. (v.l.) Michael Bünker, Thomas Hennefeld, Stefan Schröckenfuchs, Udo Bachmair und Waltraut Kovacic

Anneliese Rohrer: Aktives Engagement für Demokratie statt „Karaoke der Verärgerten“

Wien (epdÖ) – Die Themen Ehrenamt und zivilgesellschaftliches Engagement prägten den diesjährigen Reformationsempfang, zu dem die Evangelischen Kirchen in Österreich am Freitag, 28. Oktober, in die Akademie der Wissenschaften in Wien geladen hatten.

Besorgt über das mangelnde aktive Engagement für Demokratie in Österreich zeigte sich die Journalistin Anneliese Rohrer. „Beim Zusammentreffen ganz bestimmter politischer und wirtschaftlicher Faktoren kann es zu einem Multiorganversagen der Demokratie kommen“, warnte Rohrer in ihrem Vortrag „Vom Wutbürger zum engagierten Mutbürger?“. Die Journalistin und „Wanderpredigerin für die Demokratie“, wie sie sich selbst bezeichnete, ermunterte dazu, sich aktiv für die Demokratie zu engagieren. Angesichts der zahlreichen Freiwilligen und Ehrenamtlichen etwa in den Bereichen Kunst und Sport sei es zutiefst problematisch, wie wenige Menschen bereit seien, sich am politischen System zu beteiligen und sich einzubringen. Rohrer versteht zwar, dass politisches Engagement Schwierigkeiten im privaten Umfeld mit sich bringen könne, es sollte aber in einer Demokratie nicht zu viel Mut verlangen, politisch aktiv zu werden.

Davon, am Wirtshaustisch zu schimpfen und sonst tatenlos zu bleiben, hält Rohrer nichts. Dies würde zu keiner Verfestigung der Demokratie beitragen. Dieses „Karaoke der Verärgerten können wir uns auf Dauer nicht leisten“, ist Rohrer überzeugt. Gerade junge Menschen fordert Rohrer auf, sich nicht in die Opferrolle zu drängen. Sie erinnerte an die „Occupy“-Bewegung, die derzeit an den Börsenplätzen der Welt gegen den großen Einfluss der Finanzwirtschaft und gegen den Abbau der Demokratie demonstriert.

Ausdrücklich lobte die Journalistin die vor wenigen Tagen auf der Synode und Generalsynode beschlossene Verfassungsreform der Evangelischen Kirchen. Dieses „wichtige Signal nach außen“ zeige, dass in Österreich Reformen durchaus möglich seien.

Positive Bilanz zum „Jahr des Ehrenamts

„Das Ehrenamt ist in den Evangelischen Kirchen nicht ‚Zuckerguss‘, sondern es geht um gleichberechtigte Arbeit neben der geistlichen Arbeit“, sagte der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld beim „Runden Tisch“ zum Thema Ehrenamt. Dort zogen die Vertreter der drei Evangelischen Kirchen eine positive Bilanz des laufenden „Jahres des Ehrenamts“. Waltraut Kovacic, Leiterin der von der Synode eingesetzten Vorbereitungsgruppe, erinnerte an die Ehrenamtsordnung, den „ersten wichtigen Schritt, der uns sehr am Herzen gelegen ist“, oder an die vor kurzem veröffentlichten „12 Standards“ des Ehrenamts. Frucht des Schwerpunktjahres sei auch die neue Ehrenamtsakademie, die ebenso wie der Versicherungsschutz „zeigt, dass das Ehrenamt ernstgenommen wird“, wie Hennefeld betonte. Bischof Michael Bünker wies auf das geänderte Bild des Ehrenamts hin. Das neue Ehrenamt stelle die Frage: „Was bringt es mir?“, darauf brauche es nicht nur Antworten, sondern ebenso „professionelle Begleitung und unterstützende Rahmenbedingungen“. Dass die Methodistische Kirche als „Basisbewegung“ begonnen habe und getragen sei vom „Engagement von Menschen aus allen Schichten“, unterstrich beim Reformationsempfang Pastor Stefan Schröckenfuchs.

Diakoniepreis und beste Fachbereichsarbeit

Der Diakoniepreis 2011 – er ist mit 10.000 Euro dotiert – geht heuer an das Projekt „Der Laden“ des Evangelischen Diakoniewerks Gallneukirchen in Schladming. Menschen mit Beeinträchtigung können seit Oktober 2008 in einem speziellen Einzelhandelsgeschäft, das stark frequentiert wird, vormittags selbständig im Verkauf arbeiten. Dieses Projekt stehe „mit dem christlichen Welt- und Menschenbild im Einklang“, lobte Synodenpräsident Peter Krömer die Arbeit. Christa Schrauf, Rektorin des Diakoniewerks, die gemeinsam mit einem Teil des Teams die Auszeichnung entgegennahm, würdigte vor allem das weibliche Engagement. Das Projekt sei „in vielfacher Hinsicht eine zukunftsweisende Sache“.

Das „Ambulante Entlastungsmanagement des mobilen Palliativteams in Waidhofen/Ybbs der Johanniter Gesundheits- und soziale Dienste GmbH“ erhielt den mit 3.000 Euro dotierten Diakonie-Sonderpreis zum Thema Ehrenamt. Immer mehr Menschen seien von diesem Problemkreis betroffen, so Krömer. Die gute Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen sei ausschlaggebend gewesen für den Preis. „Gerade dieses Projekt bewegt einen, etwas zu tun“, erklärte Kurt Drimmel, Direktor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, die den Diakoniepreis seit 2001 stiftet.

Ausgezeichnet wurde auch die beste Fachbereichsarbeit in Evangelischer Religion. Sie kommt heuer von Leopold Potyka aus dem Wirtschaftskundlichen Gymnasium Wien 18. In der von Ursula Schermann betreuten Arbeit hat sich Potyka mit der Geschichte der Evangelischen Kirche in den Jahren 1938 bis 1945 beschäftigt und damit ein Kapitel aufgegriffen, in dem die Evangelische Kirche etwa im Unterschied zur Zeit des Geheimprotestantismus „weniger mutig“ war, wie der für Bildung zuständige Oberkirchenrat Karl Schiefermair bei der Preisverleihung sagte.

Der Kirchenhistoriker und Kirchenrechtler Prof. Karl Schwarz erinnerte im Gespräch mit Udo Bachmair, der durch den Abend führte, an die Jubiläen 150 Jahre Protestantenpatent und 50 Jahre Protestantengesetz. Durch das Protestantenpatent sei die Evangelische Kirche erstmals rechtlich anerkannt worden, tatsächlich sei aber die „Römisch-katholische Kirche weiter die dominierende“ geblieben, 1961 erfolgte durch das Protestantengesetz die völlige Gleichstellung nach dem von Bundesminister Drimmel forcierten Konzept „Freie Kirche in freiem Staat“.

Präsentiert hat sich beim Reformationsempfang auch die neue evangelische Hilfsorganisation „Brot für die Welt“. Dabei geht es um „Hilfe, wie man aus der Armuts- und Hungerfalle herauskommt“, wie Barbara Heyse-Schaefer meinte. „Ausreichende Ernährung ist ein Menschenrecht“, sagte Michael Bubik, der gemeinsam mit Heyse-Schaefer für die Geschäftsführung der neuen Hilfsorganisation verantwortlich ist. Durch weltweite Projekte will die gemeinsame Organisation der Diakonie und der Evangelischen Frauenarbeit nachhaltig Ernährung sichern, die vor allem in Deutschland eingeführte Marke „Brot für die Welt“ unterstützt dabei.

Teilgenommen haben am diesjährigen Reformationsempfang über 300 Gäste aus dem Bereich der Kirchen, der Ökumene, der Politik, der Wirtschaft und der Kultur. Eingeladen haben die Lutherische, die Reformierte und die Methodistische Kirche, musikalisch gestalteten den Empfang „Klangdesign“ und „Ökumenobrass“.

Fotos vom Reformationsempfang (Download in Druckqualität) auf: www.evang.at/themen/fotos

ISSN 2222-2464

Diesen Beitrag teilen

Newsletter abonnieren

Der Newsletter von evang.at mit den wichtigsten Nachrichten des Evangelischen Pressedienstes (epd) ist kostenlos und erscheint in der Regel einmal pro Woche am Mittwoch.