02.03.2010

Rechtsberatungsstelle des evangelischen Flüchtlingsdienstes in Innsbruck eröffnet

Superintendentin Müller: "Anders handeln hieße Evangelium verleugnen" - Christoph Riedl: Zugang zum Recht darf für Schutzsuchende nicht noch weiter eingeschränkt werden

Ralf Niederhammer, Christoph Riedl und Superintendentin Luise Müller bei der Pressekonferenz

Superintendentin Müller: „Anders handeln hieße Evangelium verleugnen“ – Christoph Riedl: Zugang zum Recht darf für Schutzsuchende nicht noch weiter eingeschränkt werden

Innsbruck (epd Ö) – „Eine kostenlose und unabhängige Rechtsberatung für Flüchtlinge bleibt eine zentrale staatliche Aufgabe und muss auch vom Staat finanziert werden“, forderte der Geschäftsführer des Diakonie Flüchtlingsdienstes, Christoph Riedl, am Dienstag, 2. März, vor Journalisten in Innsbruck. Der Zugang zum Recht dürfe für Schutz suchende Menschen nicht noch weiter eingeschränkt, sondern müsse ausgebaut werden. Riedl kritisierte die „nie dagewesene Stimmungsmache gegen Asylsuchende“, die einer Stigmatisierung gleichkomme. Asyl werde mittlerweile „synonym für Kriminalität“ verwendet. Missbrauchsbekämpfung oder die Verfolgung strafbarer Handlungen seien „natürlich notwendig“, dennoch dürfe nicht vergessen werden: „Es sind in erster Linie Menschen, die unaussprechliches Leid erlebt haben und deshalb ihre Heimat verlassen mussten.“

Nach dem Entzug der staatlichen Förderungen für die Rechtsberatung in Innsbruck, aber auch in Salzburg, Oberösterreich, Wien, Traiskirchen und bei der Caritas in Eisenstadt, hat der Diakonie Flüchtlingsdienst nun die Trägerschaft für eine ehrenamtliche Flüchtlingsberatungsstelle in Tirol übernommen. Untergebracht ist die Beratungsstelle im Haus der Superintendentur der Evangelischen Kirche am Rennweg 13 in der Tiroler Landeshauptstadt.

Superintendentin Luise Müller erinnerte bei der Pressekonferenz an die Position der evangelischen Kirche. Die Synode habe seit 1996 in mehreren Resolutionen gegen die zunehmende Fremdenfeindlichkeit und im Zusammenhang damit gegen das restriktive politische Verhalten gegenüber AsylwerberInnen protestiert. Trotz des angespannten Haushalts habe die Kirche beschlossen, die Hilfe für Flüchtlinge weiter zu finanzieren. „Wir sind dem Grundsatz verpflichtet: Kirche ist wesentlich diakonisch“, sagte Müller, die auch Vorsitzende des Diakonischen Ausschusses der Generalsynode ist. Niemand, der Hilfe brauche, dürfe vom diakonischen Wirken der Kirche ausgeschlossen werden: „Anders zu handeln, hieße das Evangelium zu verleugnen.“

Seit mehreren Jahren gibt es im Haus der Superintendentur Angebote des interkulturellen Psychotherapieprojekts „Ankyra“, seit über zwei Jahren hat ein Asylwerber eine Wohnmöglichkeit. Nun stellt die Superintendentur Büro und Infrastruktur für die neue Rechtsberatung zur Verfügung. „Ich habe Hochachtung vor dem Team der jungen Leute, die hier ehrenamtlich eine ganz wichtige Aufgabe wahrnehmen“, sagte Müller. Für das rechtsstaatliche System in Österreich sei die unabhängige Beratung und Betreuung durch zivilgesellschaftliche Organisationen „notwendiger Bestandteil gelebter Demokratie“, betonte Christoph Riedl. Die Diakonie werde auch weiterhin, „wenn es sein muss auch ohne öffentliche Mittel“, Menschen auf der Flucht beraten und betreuen und damit „auf der Seite der Schutzbedürftigen stehen, auch und gerade wenn ihr ein eisiger Wind um die Ohren bläst“.

Begonnen hat die ehrenamtliche Rechtsberatung in Innsbruck Ende November des Vorjahres, im Jänner waren bereits über 50 KlientInnen in der Beratung. Projektkoordinator Ralf Niederhammer rechnet mit „massiv“ steigenden Zahlen, da die Beratungsstelle des Flüchtlingsdienstes die einzige sei, die sich inhaltlich mit den Rechtsfragen und Problemen der KlientInnen auseinandersetzen könne. Geleistet wird die Beratung von über dreißig StudentInnen, die in Teams, bestehend aus einem/einer JuristIn und einem/einer SozialarbeiterIn die AsylwerberInnen betreuen. „Die Menschen, die uns aufsuchen, wissen nicht, was in ihrem meist über 60 Seiten langen Bescheid steht“, erzählt Niederhammer aus der Praxis. Einzig der Spruch und die Rechtsmittelbelehrung würden in die Muttersprache übersetzt. Über das Asylverfahren, darüber, was von ihnen gefordert wird, und ihre Rechte hätten die KlientInnen keine Kenntnisse. Niederhammer: „Davon zu sprechen, dass es keine Rechtsberatung braucht, ist zynisch und rechtsstaatlich mehr als bedenklich.“

ISSN 2222-2464

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