28.07.2020

PfarrerInnengebetsbund blickte auf Kirche von morgen

„Kirche im Aufbruch“ bei Sommertagung in Maria Lankowitz

Tenor der Tagung: als Antrieb für eine Erneuerung der Kirche brauche es theologische Überzeugungen, nicht die Angst vor Bedeutungsverlust. Foto: pixabay

„Kirche im Aufbruch“ bei Sommertagung in Maria Lankowitz

Maria Lankowitz (epdÖ) – Als Antrieb für eine Erneuerung der Kirche brauche es theologische Überzeugungen, nicht aber die Angst vor Bedeutungsverlust. So lautete der Tenor auf der Sommertagung des österreichischen Pfarrerinnen- und Pfarrergebetsbundes vom 13. bis 17. Juli im steirischen Maria Lankowitz, die der „Kirche im Aufbruch“ gewidmet war. In seinem Eröffnungsreferat warnte Patrick Todjeras, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Greifswald und theologischer Referent der Evangelischen Kirche in Österreich, davor, Erneuerung der Kirche als notwendige Reaktion auf strukturelle Fehlentwicklungen zu begreifen. In den Debatten über Erneuerung herrsche meist eine „Rhetorik des Mangels und des Verlusts“ vor. Der Rückgang an Mitgliedern oder der gesellschaftliche Bedeutungsverlust seien zwar berücksichtigenswerte Gründe, um Innovation voranzutreiben, aber sie seien keine theologischen Gründe: „Wenn der theologische Grund fehlt, dann wird die Rede von der Erneuerung ihr Ziel verfehlen. Nicht, weil zu wenige kluge Köpfe am Tisch sitzen oder zu geizig geplant wird, sondern weil im tiefsten Inneren nicht klar ist, warum es Erneuerung braucht.“

Diesen Grund verortete Todjeras im Leben der Kirche „aus dem erneuernden Handeln des Heiligen Geistes“. Kirche, die damit selbst ein Geschöpf der Erneuerung sei, habe diese Erneuerung als Teil ihres eigenen Wesens. Damit habe nicht die Kirche eine Mission, sondern „die Mission Christi schafft sich ihre Kirche“. Erst in zweiter Linie sei in der Diskussion um die Erneuerung der Kirche zu fragen, wie deren Überleben strukturell gesichert werden könne. Hier ermutigte Todjeras zur Experimentierfreudigkeit: „Es entwickeln sich Formate, Gemeinschaften, Erprobungsräume, Initiativen, die vielleicht kurzlebig sind und risikobereit, und erst im Verlauf des Weges erfahren wir, ob es funktioniert und warum es funktioniert. Das hält man nur aus, wenn das eigene ‚Warum‘ geklärt ist, und immer wieder gestärkt und genährt wird.“

Theologe Zimmerling: „Wiederentdeckung der vom Geist begabten Gemeinde“

Eine zentrale Chance für die Kirche der Zukunft sieht der Leipziger Theologe und Pfarrer Peter Zimmerling in der „Wiederentdeckung der vom Geist begabten Gemeinde“. Das Priestertum aller Gläubigen sei zwar in der Reformation stark propagiert worden, seine tatsächliche Realisation blieb in weiterer Folge aber aus, so Zimmerling in einem der Vorträge, mit denen er durch die weiteren Tage des Treffens führte. Für die Kirche der Zukunft sei es darüber hinaus entscheidend, „ob es gelingt, plausibel zu machen, dass christlicher Glaube eine Angelegenheit der Freiheit ist“. Betont werden müssten zudem Gemeinsamkeiten und Gegensätze von Religionen, die in einem Wettstreit zueinander stünden. Mission und Evangelisation, die „von Anfang an“ prägend zum Christentum gehört hätten, sollten wieder stärkeres Gewicht bekommen, so Zimmerling, der bis vor kurzem auch Erster Universitätsprediger in Leipzig war.

Der Theologe sieht allerdings wesentliche Herausforderungen für eine Kirche, die sich dem Aufbruch stellen wolle. Dazu zählte er in seinem Vortrag die „Entkirchlichung und Entchristlichung West- und Mitteleuropas“, den postmodernen Pluralismus, die Aufladung säkularer Phänomene wie etwa Fußball mit religiöser Bedeutung, Altlasten der Vergangenheit – Stichwort Missbrauchsskandal – oder eine zunehmende Säkularisierung der Kirche und ihrer Mitglieder selbst. Damit es zu einem Aufbruch kommen könne, gelte es daher, mehrere theologische Voraussetzungen zu erfüllen. So müssten sich Christinnen und Christen ihres Glaubens als eines trinitarischen bewusst werden. Dies sei auch die einzige Chance, die Besonderheit des Christentums zu betonen. Die Bibel habe wieder verstärkt als „Inspirationsquelle, Resonanzraum und Korrekturinstanz“ zu gelten – eine Rolle, die sie unter anderem durch eine Überbetonung der historisch-kritischen Bibellektüre eingebüßt habe. Zudem sei hervorzuheben, dass eine im Privaten gelebte Spiritualität Kirche nicht ersetzen könne; es gelte, Ängste vor „vorgeprägten Formen“ abzubauen und eine „profilierte Spiritualität“ zu entwickeln. Und für die künftige Beziehung zu anderen christlichen Konfessionen postulierte Zimmerling: „Die Christenheit von morgen wird in einer mehrheitlich konfessionslosen Umgebung ökumenisch sein oder sie wird nicht mehr sein.“

Chalupka: Appell, über Strukturen hinaus zu denken

Die Bedeutung des gemeinschaftlichen Einsatzes für eine Erneuerung der Kirche und einer Weitung des Blicks über bestehende Strukturen hinaus hob Bischof Michael Chalupka in seiner Predigt im Abschlussgottesdienst der Tagung hervor. Chalupka nahm dabei Anleihen bei der Geschichte Mose, der angesichts der Unzufriedenheit des Volkes Israel von Gott den Auftrag erhält, 70 Männer auszuwählen, „damit sie mit dir die Last des Volks tragen und du nicht allein tragen musst“ (Num 11,17). „Wir glauben uns oft überfordert, dass wir alles stemmen müssen. Aber es gibt Helfer, es gibt andere, die wir vielleicht gar nicht im Blick haben oder gar nicht im Blick haben wollen“, so der Bischof. Für die Kirche bedeute das, „dass sie offen sein muss für Überraschungen, dass sie sich nicht einmauern darf“. Im Gegenteil sei ein wachsamer Blick gefordert: „Wo passieren die Erneuerungen, die Innovationen durch den Geist, in unserer Kirche, in unserer Gesellschaft?“

Oft befände sich die Kirche in der Situation, Institutionen und Strukturen, die ihr wichtig geworden seien, bewahren zu wollen. Zugleich gebe es aber Erneuerungen, die zu beachten seien: „Vielleicht passiert das Wesentliche ganz woanders. In unserer Kirche, außerhalb unserer Kirche, an Orten, die wir gar nicht wahrnehmen, die wir nicht wahrnehmen können, die wir nicht wahrnehmen wollen.“ Zu oft denke man in Strukturen, „vom Zentrum her“. Demgegenüber rief Chalupka dazu auf, sich zu erinnern, „dass das Christentum aus der Peripherie kommt. Die Geburt Jesu ist in der Provinz passiert.“

Videos der Vorträge sind auf dem YouTube-Kanal des Pfarrerinnen- und Pfarrergebetsbundes zu finden (https://bit.ly/PGB_Sommertagung)

ISSN 2222-2464

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