11.11.2024

Pfarrerin Petri: Nazi-Parolen und Hakenkreuze auf Hauswänden sind „Kampfansage an uns alle“

Gedenkgottesdienst in Wiener Ruprechtskirche anlässlich der Novemberpogrome vor 86 Jahren

Der Gedenkgottesdienst mit dem anschließenden Schweigegang am 9. November war der Höhepunkt der „Bedenktage“-Reihe „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“. (Foto: epd/Uschmann)

Gedenkgottesdienst in Wiener Ruprechtskirche anlässlich der Novemberpogrome vor 86 Jahren

Wien (epdÖ) – Zur „mutigen Intoleranz“ gegenüber dem Antisemitismus hat Elke Petri, Pfarrerin der Pauluskirche in Wien-Landstraße, am Samstag, 9. November, beim Gedenken an die Novemberpogrome des Jahres 1938 aufgerufen. Die Worte „Niemals wieder“ seien angesichts der erstarkten Judenfeindlichkeit in Österreich zu einer „hohlen Parole“ geworden. Jüdische Menschen könnten in Wien nicht mehr „frei, sicher und sichtbar leben“, Hakenkreuze und Nazi-Hassparolen fänden sich wieder auf Hausmauern, beklagte Petri bei einem Gottesdienst im Rahmen der „Bedenktage“-Reihe „Mechaye Hametim“ in der Wiener Ruprechtskirche. Petri richtete sich beim Gedenkgottesdienst mit einem Appell an alle Christinnen und Christen. Demnach seien dämonisierende Darstellungen von Jüdinnen und Juden nicht zu tolerieren. „Keine Toleranz für Intoleranz“, zitierte die Pfarrerin das Toleranz-Paradoxon des österreichischen Philosophen Karl Popper.

Gemeinsam mit Pater Alois Riedlsperger, dem katholischen Rektor der Ruprechtskirche, und der evangelischen Hochschulseelsorgerin Katharina Payk gestaltete Petri den ökumenischen Gottesdienst anlässlich des 86. Jahrestags der Novemberpogrome. Im Zentrum stand das Gedenken an die Jüdinnen und Juden, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ermordet wurden. Auch auf den Gazakrieg und die heutige Diskriminierung jüdischer Menschen wurde in Gebeten, Liedern und Texten Bezug genommen. „Wir möchten Gott mit Blick auf die kriegerischen Auseinandersetzungen um Frieden bitten“, betonte Riedlsperger im Eingangsgebet.

Heute müssten immer mehr Jüdinnen und Juden in Angst leben, erklärte Payk. In den Fürbitten rief die Hochschulseelsorgerin dazu auf, alles dafür zu tun, um dieser Angst ihre Grundlage zu nehmen: „Gott, stärke unsere Widerstandskraft gegen jede Form des Antisemitismus und hilf beim Aufbau einer Gesellschaft, in der für Hass gegen Menschen kein Platz ist.“ Vorgelesene Auszüge aus jüngsten Medienberichten lenkten den Fokus auf Jüdinnen und Juden, die aktuell in europäischen Städten „buchstäblich verfolgt und gejagt werden“. Ein Chormitglied mahnte: „Wir dürfen nicht zulassen, dass das mitten in unserer Gesellschaft geschieht.“ Dabei wurde auf die „Hetzjagd“ auf jüdische Fußballfans hingewiesen, die sich am 7. November am Rande des Europa-League-Matches zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv zugetragen hatte.

Petri: „Schafft die Bilder der fremden Götter fort“

„Schafft die Bilder der fremden Götter fort“, sagte Petri mit Bezug auf das zuvor gelesene Bibelplädoyer. In ihren Gedenkworten thematisierte die Pfarrerin „Bilder, die nicht unges(ch)ehen zu machen sind“ und kam auf die Glasfenster in der evangelischen Pauluskirche in Wien-Landstraße zu sprechen. Die auf den Fenstern abgebildeten Darstellungen aus dem Leben Jesu und des Apostels Paulus wurden in den 1960er-Jahren vom nationalsozialistischen Künstler Rudolf Böttger gestaltet. Dass die Mädchen auf den Bildern so aussehen, „als kämen sie direkt aus dem Bund Deutscher Mädel“, sei problematisch. Jesus und seine Familie würden „arisch blond“, Jüdinnen und Juden hingegen dämonisierend gezeigt, so die Pfarrerin.

In der Pauluskirche verhüllen seit dem Vorjahr halbtransparente Textilien die Fenster. Allerdings wirkten die antisemitischen Bilder weiter. Um den Antisemitismus Petri zufolge nicht weiter „zur Schau zu stellen“, sollen sie aus der Pauluskirche entfernt werden. „Es geht nicht um ein Wegsehen, sondern um ein bewusstes Hinschauen“, erklärte Petri. Angesichts des wieder erstarkten Antisemitismus dürften die verletzenden Darstellungen von Jüdinnen und Juden nicht mehr gezeigt und toleriert werden, „um uns als christliche Gemeinde unserer jüdischen Wurzeln und unserer Schuldgeschichte zu erinnern“.

Die Pfarrerin rief die Kirchengemeinde zur „mutigen Intoleranz“ und sogar zum Riskieren eines Streits auf, wenn „unseren jüdischen Geschwistern gedroht wird“. Brandanschläge auf jüdische Einrichtungen, verbale und körperliche Angriffe auf jüdische Menschen und Hakenkreuze auf Hauswänden seien eine „Kampfansage an die freie Lebensweise von Jüdinnen und Juden und damit eine Kampfansage an uns alle“, schloss die Pfarrerin.
Nach der ökumenischen Feier führte sie zusammen mit Riedlsperger und Payk den Schweigegang zum Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah am Wiener Judenplatz an.

Zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Novemberpogrome des Jahres 1938 gegen die jüdische Bevölkerung in Wien veranstalteten auch in diesem Jahr wieder mehrere christliche und jüdische Organisationen gemeinsam die „Bedenktage“-Reihe „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“. Der traditionelle ökumenische Gottesdienst am 9. November in der Wiener Ruprechtskirche, dem Jahrestag der Novemberpogrome, war auch heuer wieder die zentrale Veranstaltung.

ISSN 2222-2464

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