02.04.2012

Ohne Frauen hätte Reformation nie stattgefunden

Tagung über die Lebensleistung von Frauen in der Reformation

Über die zentrale Bedeutung der Frauen für die Reformation diskutierten (v.l.n.r.): Eva Oslíková (Slowakei), Cornelia Schlarb (Deutschland), Erzsébet Szála-Alpár (Ungarn), Alexander Hanisch-Wolfram (Kärnten) und Aleksandra Blahut-Kowalczyk (Polen). Foto: Evangelische Akademie Wien

Tagung über die Lebensleistung von Frauen in der Reformation

Wien (epdÖ) – Weil der Beitrag der Frauen zur Reformation „nur marginal oder gar nicht“ betrachtet werde, so Akademie-Direktorin Kirsten Beuth, habe die Evangelische Akademie Wien das Projekt „Frauen und Reformation“ initiiert. TeilnehmerInnen und ReferentInnen aus Österreich und benachbarten Ländern trafen einander am vergangenen Freitag und Samstag im Wiener Albert Schweitzer Haus, um die Lebensleistungen, die Frauen im Kontext der Reformation erbrachten, kritisch zu würdigen. Tenor der Veranstaltung: Ohne Frauen hätte die Reformation nie stattgefunden. Frauen, die das Priestertum aller Glaubenden selbstbewusst auf sich bezogen, waren „Pionierinnen auf dem Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Kirche. Ihre in unterschiedlicher Weise eingebrachten Potentiale wirken bis in die Gegenwart, sind für eine zukunftsfähige Kirche bedeutsam, aber noch immer viel zu wenig gewürdigt“, erklärte Beuth.

An Beispielen aus Österreich, Ungarn, Tschechien, Polen, der Slowakei und Deutschland zeigte die Tagung Lebensrealitäten von Frauen des 15. und 16. Jahrhunderts auf. Neben den Vorträgen hob eine Schreibwerkstatt die Wichtigkeit der Bildung von und für Frauen von Anbeginn der Reformation hervor, an einem zweiten „Nebenschauplatz“ wurde auf der Ta-gung das Spinnen vorgeführt.

Frauen aus allen sozialen Gruppen haben sich am reformatorischen Prozess und in verschiedenen reformatorischen Bewegungen beteiligt, so die deutsche Theologin und Kirchenhistorikerin Cornelia Schlarb. Die Individualisierung der Beziehung zu Gott, die Luther vehement verteidigt habe, habe Frauen über Jahrhunderte hinweg bis heute ermutigt, ihrer Berufung zur öffentlichen Verkündigung und ins geistliche Amt auch gegen massive Widerstände zu folgen. Die Demokratisierung der Bildung für alle habe dazu beigetragen, dass auch Mädchen und Frauen aus allen Schichten in evangelischen Territorien ausgebildet wurden.

Dass nicht nur Adelige, sondern auch Bürgerfrauen maßgeblich an der Verbreitung der Gedanken der Reformation beteiligt waren, illustrierte Erzsébet Szála-Alpár bei der von Margit Leuthold moderierten Tagung an Beispielen aus dem Raum Sopron: „Der Glaube dieser Frauen war keine Privatangelegenheit, sondern eine Lebenshaltung, die in verschiedene Bereiche der Gesellschaft hinein wirkte.“

Für den wissenschaftlichen Leiter des evangelischen Diözesanmuseums Fresach, Alexander Hanisch-Wolfram, ist der Aspekt einer evangelischen Frauengeschichte nicht nur „notwendige und sinnvolle Ergänzung des bisherigen historiografischen Blickes“, sondern bringe auch „ganz neue Einsichten in alte Forschungsfragen“, wie etwa beim Thema Geheimprotestantismus oder Transmigration. So habe sich durch neuere Studien gezeigt, dass die Geschichte evangelischer Frauen für die Geschichte des Kärntner Protestantismus als Ganzes „ein hochrelevanter Bereich ist und dass Frauen ein ganz wesentlicher Faktor für die historische Kontinuität des Kärntner Protestantismus waren“. Notwendig sei allerdings, die Konzentration auf die „großen Persönlichkeiten“ zu überwinden und noch stärker „weibliche Geschichten“ zu erzählen.

Um weiterhin „Frauen der Reformationszeit einen Rahmen zu geben, besonders dann, wenn das Portrait fehlt“ – wie es Akademie-Direktorin Beuth ausdrückte – will die hinter der Tagung stehende Projektgruppe bis zum Reformationsjubiläum 2017 neben weiteren zentralen Tagungen wie beispielsweise im Mai in Bratislava unterschiedliche Vorhaben an Schulen und in Gemeinden entwickeln und Materialien erarbeiten. Im nächsten Jahr veranstaltet die Evan-gelische Akademie Wien eine internationale Tagung zum Thema Frauen – Reformation – Bildung. 2016 soll dann auf einer Abschlussveranstaltung die Frage nach den Impulsen der Reformation für eine zukunftsfähige Kirche gestellt werden.

ISSN 2222-2464

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