16.09.2020

ÖRKÖ mit spiritueller Wanderung zur Schöpfungszeit

Chalupka: „Die Natur ist ins Hintertreffen geraten“

„Weingärtner ist hier Gott, nicht der Mensch", sagte Bischof Michael Chalupka. Foto: wikimedia/Nachthimmel/cc by sa 3.0

Chalupka: „Die Natur ist ins Hintertreffen geraten“

Wien (epdÖ) Zu einem fundamentalen Umdenken im Umgang mit der Natur hat der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka aufgerufen. Bei einem ökumenischen „Emmausgang“ des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) im Rahmen der kirchlichen Schöpfungszeit (1. September bis 4. Oktober), sagte Chalupka am Samstag, 12. September: „Wir Menschen sind Teil der Natur, und was aus ihr wird, das wird aus uns – was wir aus der Natur machen, das machen wir aus uns.“ Aufgrund der Coronakrise bildete die Wanderung durch die Wiener Weinberge bei Nussdorf ein Ersatzprogramm für den traditionellen ökumenischen Gottesdienst zur Schöpfungszeit. Neben Bischof Chalupka und dem ÖRKÖ-Vorsitzenden Domdekan Rudolf Prokschi nahmen von den Kirchenvertretern u.a. auch der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner und der anglikanische Bischofsvikar Patrick Curran an dem Emmausgang teil.

400 Weingärtner und Weingärtnerinnen würden in Wien jedes Jahr zwei Millionen Liter Wein produzieren, so Bischof Chalupka in seinem Impuls. Die kultivierende Arbeit der Wiener Winzerinnen und Winzer präge 700 Hektar Land. Diese 700 Hektar Wiener Weingärten seien dabei aber nur ein kleines – und sanftes – Beispiel für den Einfluss des Menschen auf die Natur. „Die Menschen, wir Menschen, gestalten die Natur im größten Maßstab, der sich denken lässt. Bis in die Atmosphäre hinein, bis in die Tiefen des Meeres, bis an die Ränder der Meere reicht unser Einfluss. Der Weinbau erscheint auf den ersten Blick weit entfernt von Fracking und Tagbau, von Abholzung und Klimaerwärmung.“ Aber er sei Teil der Geschichte, der Gestaltung und Indienstnahme der Natur durch die Menschen, so der Bischof: „Irgendwie hat sich etwas verschoben. Die Machtverhältnisse sind aus dem Lot geraten. Die Natur ist ins Hintertreffen geraten.“

Im Johannesevangelium trete Gott als Weingärtner auf. Eine Hauptaufgabe der Weingärtner sei das Zurückschneiden der Reben. Die Rebe würde sich sonst selbst umbringen vor lauter Fruchtbarkeit, sie brauche das Zurückschneiden. „Aber Vorsicht“, so der Bischof: „Weingärtner ist hier Gott, nicht der Mensch. Im Johannesevangelium sind die Menschen die Triebe der Rebe und die Trauben, die an der Rebe hängen. Das ist ein Perspektivenwechsel.“ Diese Sichtweise sei ungewohnt. Gewohnt sei vielmehr der Gedanke, „dass die Menschen Macht über die Natur haben. Ungewohnt ist der Gedanke, dass die Menschen selbst ein Teil der Natur sind, eine Traube am Trieb statt eine Winzerin mit dem Messer in der Hand“. Dieser ungewohnte Gedanke sei aber der Anfang einer anderen Haltung zur Natur, so der Bischof.

Hilfe für Christen im Nahen Osten

Bei einer weiteren Station vor der Pfarrkirche Nußdorf-St. Thomas wurde beim ÖRKÖ-Emmausgang besonders der bedrängten Christen im Nahen Osten gedacht. In der Kirche feiert die Wiener melkitische Gemeinde ihre Sonntagsgottesdienste. Die meisten melkitischen Gläubigen stammen aus Syrien und dem Libanon, wie der zuständige Priester Hanna Ghoneim berichtete. Die wirtschaftliche und humanitäre Lage in beiden Ländern sei katastrophal.

In Syrien würden 90 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, so Ghoneim. Er kritisierte scharf die westlichen Wirtschaftssanktionen. Gerichtet seien sie gegen die syrische Regierung, treffen und ins Elend stürzen würden sie aber die einfache Bevölkerung. Dazu komme nun die Coronakrise, „die viele Menschen von ihrer Arbeit abhält und ihnen somit ihren Lebensunterhalt nimmt“. In vielen Gegenden, vor allem im ländlichen Bereich, gebe es weder Strom noch Wasser. Die extreme Hitze in diesem Sommer habe zudem an vielen Orten die Ernte vernichtet. Die Arbeitslosigkeit werde immer höher und die Inflation entwerte auch die letzten finanziellen Reserven der Menschen. Kaum weniger schlimm sei die Lage im Libanon. Die Menschen vor Ort, besonders auch die christlichen Minderheiten, würden dringend mehr Hilfe des Westens benötigen, so der Appell des melkitischen Priesters.

Ghoneim ist selbst im Rahmen der Stiftung „Korbgemeinschaft“ in Syrien aktiv. Die Stiftung leistet Nahrungsmittelhilfe für Familien in Not, hilft Inlandsflüchtligen bei der Miete in den Notquartieren oder unterstützt auch Schulkinder mit Geld. Zuletzt wurde bei Damaskus von der „Korbgemeinschaft“ eine große Bäckerei aufgebaut, in der für die verarmte Bevölkerung Brot produziert und zu äußerst geringen Preisen verkauft werden soll. Zudem werden laut Ghoneim mit der Bäckerei bis zu 40 Arbeitsplätze geschaffen. (Infos: www.korbgemeinschaft.at)

ISSN 2222-2464

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