02.02.2016

Ökumenisches Wochenende in Graz über Beziehungspluralismus

Vorträge und Diskussionen über Wandel und Vielfalt im Familienleben

Jörg Barthel (Theologische Hochschule Reutlingen) und Superintendent Hermann Miklas beim Ökumenischen Wochenende 2016. (Foto: Rachl/suptur)

Vorträge und Diskussionen über Wandel und Vielfalt im Familienleben

Graz (epdÖ) – Von 29. bis 30. Jänner traf sich das Ökumenische Forum zum diesjährigen „Ökumenischen Wochenende“ in Graz zum Thema „Beziehungsweisen – plurale Beziehungen in der Welt von heute als Herausforderung für die christlichen Kirchen“. Die christlichen VertreterInnen kamen zusammen, um über neue Beziehungsformen sowie Wandel und Vielfalt im Familienleben zu sprechen.

Der Vorsitzende des Ökumenischen Forums, Superintendent Hermann Miklas, stellte in seiner Begrüßungsrede die provokante Frage: „Müssen wir als Kirchen unbedingt dem Zeitgeist hinterherhecheln oder können wir nicht einfach die christliche Tradition hochhalten?“ Die Tagung eröffnete Ernst Burger, stellvertretender Superintendentialkurator in der Steiermark, mit einem Vortrag über Formen von Familie, die derzeit in der Steiermark anzutreffen sind.

Von einem „postmodernen Familiengarten“ sprach Burger in seinem Referat, dazu gehörten etwa in geringerem Maße die Versorgerfamilie, vorwiegend bei Älteren und Zuwanderern aus dem Süden. Darüber hinaus gibt es als häufigste Form die Doppelverdienerfamilie mit Kind, als Ehepaarfamilie oder als Lebensgemeinschaft – allerdings mit abnehmender Fertilität. Daneben findet sich die Stief- oder Fortsetzungsfamilie. Sie ist gegeben, wenn eine aufgelöste Beziehung mit Kind durch eine neue Beziehung abgelöst wird. Daraus kann eine Patchworkfamilie entstehen, wenn noch ein gemeinsames Kind der Partner dazukommt. Außerdem gibt es noch die Einelternfamilie und ein Alleinlebender oder eine Alleinlebende, die Adoptionsfamilie, die Pflegefamilie, die bi-lokale Familie, die bi-nukleare Familie, die gleichgeschlechtliche Partnerschaft, Regenbogenfamilien, Mehrgenerationenfamilien und Lebensabschnittspartner.

Nach Burger wird die Zahl der Alleinlebenden in Einpersonenhaushalten, so die Prognosen, in 35 Jahren einen Anteil von 40 Prozent an allen Haushalten erreicht haben. 1900 waren 50 Prozent aller über 15 Jahre alten Personen ledig und lebten allein. Also nichts Neues, eher eine Wiederkehr nach 150 Jahren, aber unter anderen Voraussetzungen. Auch die Mehrgenerationenfamilie werde in steirischen Kleingemeinden wieder mehr gelebt, allerdings um den Herausforderungen der Alltagsorganisation und der Kinderbetreuung bei notwendiger Erwerbstätigkeit mit Pendeln leichter gerecht zu werden.

Mit dem Bevölkerungsanstieg ist die Zahl der Familien seit 1981 insgesamt um acht Prozent gestiegen, die der Familien ohne Kinder allerdings überproportional, nämlich um 51 Prozent. Die Ehepaarfamilien wurden insgesamt weniger, dafür stieg die Anzahl der Lebensgemeinschaften, aber eher als Vorlaufmodell denn als Alternative zur Ehe. Auch die Zahl der Einelternfamilien in Folge der hohen Scheidungs- und Trennungsraten steigt. Die Idealfamilie aus der Mitte des 20. Jahrhunderts (Vater, Mutter, Kind in einem Haushalt lebend) ist bis 2050 vermutlich – den Prognosen entsprechend – verschwunden. Weitere Trends sind Formen einer stärker gewordenen bewussten Kinderlosigkeit, öffentlich gelebte bi-lokale Beziehungen oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Am deutlichsten sei der Trend zu gewollter Kinderlosigkeit. Trotz dieses Grundstroms hätten die Familie und Familienleben bei allen Umfragen höchste Beliebtheitswerte in der steirischen Bevölkerung. Frauen wollen mehrheitlich Mütter, aber nicht nur Hausfrauen sein. Männer wollen Erfolg im Beruf und in der Familie. Das sei ein neues Bewusstsein.

ISSN 2222-2464

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