22.03.2017

Ökumene braucht Klarheit, Redlichkeit und Nüchternheit

Ulrich Körtner vermisst substantielle Fortschritte in der Ökumene

Substantielle Fortschritte im Verhältnis der Kirchen zueinander mahnt der Wiener Theologe Ulrich H.J. Körtner ein. Im Bild Kardinal Christoph Schönborn, Bischof Michael Bünker und Metropolit Arsenios Kardamakis bei einem ökumenischen Gottesdienst in Wien. Foto: epd/ M. Uschmann

Ulrich Körtner vermisst substantielle Fortschritte in der Ökumene

Wien (epdÖ) – Einen kritischen Blick auf den großen ökumenischen Gottesdienst, den die Evangelische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz am 11. März in Hildesheim als Christusfest gefeiert haben, wirft der Wiener evangelische Theologe Ulrich H.J. Körtner. Die gesamte deutsche Staatsspitze war bei dem Gottesdienst zugegen, nach 500 Jahren Kirchenspaltung sollte er das Verbindende über das noch Trennende stellen und einen öffentlichen Akt der Buße und Versöhnung darstellen.

Trotz aller medienwirksamen Rituale und atmosphärischen Verbesserungen vermisst Körtner substantielle Fortschritte in der Ökumene. In einem Gastkommentar für die Tageszeitung „Die Presse“ (17. März) erinnert der renommierte Theologe daran, dass es bereits schon am Reformationstag 2016 in Lund „große Gesten“ gegeben habe, als Papst Franziskus gemeinsam mit der Spitze des Lutherischen Weltbundes einen gemeinsamen Gottesdienst feierte. Von der Lutherischen Kirche als „Kirche“ zu sprechen, vermied er, und auch in Hildesheim war es nicht anders. Nach wie vor spreche die Römisch-katholische Kirche den Kirchen, die aus der Reformation kommen, ihr Kirchesein ab. Dem evangelischen Pfarramt, zu dem heute Männer wie Frauen zugelassen sind, bleibe die Anerkennung weiterhin versagt, und auch gemeinsame Abendmahlsfeiern sind aufgrund der Position der Römisch-katholischen Kirche nicht möglich. „Kritischen Beobachtern ist übrigens nicht entgangen, dass der große Buß- und Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim am Samstag und nicht am Sonntag gefeiert wurde – denn da bleiben die Katholiken bei der Messe unter sich“, schreibt Körtner.

Wer sollte eigentlich in Hildesheim welche konkrete Schuld vergeben, fragt sich der Wiener Theologe: „Im Ernst kann niemand anstelle von Tätern früherer Jahrhunderte für begangene Schuld um Vergebung bitten, und niemand hat die Vollmacht, anstelle von Opfern Vergebung zu gewähren. Sünde vergeben kann zudem allein Gott.“ Für die Reformation können evangelische Christinnen und Christen Gott auch nach 500 Jahren „nur dankbar sein, und die evangelischen Kirchen brauchen sich nicht dafür zu entschuldigen, dass es sie gibt“.

In Österreich habe man auf Aktionen wie in Hildesheim „dankenswerterweise verzichtet“. Als „erfreulich“ bewertet Körtner gemeinsame Hirtenworte wie etwa in Oberösterreich und Salzburg, aus denen der Geist der Versöhnung spreche. Körtner: „Was die Ökumene aber eben auch braucht, ist theologische Klarheit, Redlichkeit und Nüchternheit.“

Mit dem Thema Ökumene beschäftigt sich Ulrich H.J. Körtner auch in seinem neuen Buch „Das Evangelium der Freiheit. Potentiale der Reformation“, das in diesen Tagen im Verlag Evangelischer Presseverband in Wien erscheint (shop.evang.at).

Körtners Gastkommentar im vollen Wortlaut

ISSN 2222-2464

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