01.10.2021

Neues Buch untersucht NS-Vergangenheit von Evangelisch-theologischer Fakultät

„Wie verzerrt ist nun alles“ von Kirchenhistoriker Karl Schwarz

Das Haus Liebiggasse 5: Zur Zeit des Nationalsozialismus Heimat der Evangelisch-theologischen Fakultät. Foto: wikimedia/Buchhändler/cc by sa 3.0

„Wie verzerrt ist nun alles“ von Kirchenhistoriker Karl Schwarz

Wien (epdÖ) – Eine neue Publikation des Wiener Kirchenhistorikers Karl Schwarz beleuchtet die Geschichte der Wiener Evangelisch-theologischen Fakultät in der Zeit des Nationalsozialismus. Im Jahr des 200. Fakultätsgeburtstages illustriert Schwarz das „Panorama einer in hohem Maße instrumentalisierten Fakultät“ unter anderem an den Biografien zweier Protagonisten: Karl Beth, dem nach dem Anschluss 1938 Lehrverbot erteilt wurde, und Gustav Entz, der in den Märztagen 1938 als Dekan eingesetzt wurde. Ihn bezeichnet Schwarz in „Wie verzerrt ist nun alles. Die Evangelisch-theologische Fakultät in Wien in der NS-Ära“ als „die zentrale Persönlichkeit, die das Fakultätsleben zwischen 1938 und 1945 und darüber hinaus maßgeblich gestaltete“.

Der Band, so Schwarz, verdunkle folglich nicht „den hohen Preis, den Dekan Entz zu bezahlen bereit war, um den Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten. Dabei wurde ihm ‚beispielgebendes Geschick‘ attestiert, freilich auch eine erhebliche Portion ‚politischer Arglosigkeit und Naivität‘.“ Gleichzeitig wurde Entz’ Antrag auf Parteimitgliedschaft abgewiesen – was ihm nach dem Weltkrieg dabei half, sich als Regimegegner zu gerieren.

Arbeit an „Tilgung der jüdischen Wurzeln des Christentums“

Das Schicksals Beths, dessen Frau aus einer jüdischen Familie stammte und der zur Emigration gezwungen wurde, blieb an der Fakultät ein Einzelfall, zeigt Schwarz auf. Überwogen habe im Kollegium vielmehr die „große Begeisterung“ für den Anschluss. Zahlreiche Professoren hätten sich an Arbeiten des Eisenacher Instituts zur „Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ beteiligt. Dort wurde „der Versuch unternommen, ‚die jüdischen Wurzeln des Christentums zu tilgen, alle positiven Hinweise auf das Volk Israel und das Judentum aus der Heiligen Schrift zu entfernen sowie Lehre und gottesdienstliche Praxis der evangelischen Kirche an die nationalsozialistische Ideologie anzupassen‘“.

In sieben Kapiteln widmet sich Schwarz der Fakultät „in den Wirrnissen des 20. Jahrhunderts“, dem Weg Karl Beths ins Exil, der Lehrtätigkeit des Neutestamentlers Gerhard Kittel, der Ehrenpromotion des rumänisch-orthodoxen Theologieprofessors Nichifor Crainic, dem Lehrstuhl für Diasporakunde um Gerhard May, dem Osteuropahistoriker Hans Koch und abschließend dem Wirken von Dekan Gustav Entz.

Erschienen ist „Wie verzerrt ist nun alles. Die Evangelisch-theologische Fakultät in Wien in der NS-Ära“ im Verlag New Academic Press (Wien 2021). Erhältlich ist das Buch unter shop.evang.at.

ISSN 2222-2464

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