Musik als zentrales Element kirchlichen Lebens
Jänner-„SAAT“: Pfarrerin Marianne Pratl-Zebinger im Interview
Jänner-„SAAT“: Pfarrerin Marianne Pratl-Zebinger im Interview
Wien (epdÖ) – Marianne Pratl-Zebinger, Pfarrerin in Leibnitz und Bad Radkersburg (Stmk), fördert nachdrücklich das Musizieren in Gottesdiensten und kirchlichen Veranstaltungen. Als Vorsitzende des Beirats für Kirchenmusik ist sie die „Brücke“ zwischen Pfarrpersonen und kirchlichen Profi-Musikern in ganz Österreich. Aus Anlass des „Jahres der Kirchenmusik“ hat die evangelische Zeitung für Österreich „SAAT“ mit ihr gesprochen.
SAAT: Was sind Ihre Erwartungen an das „Jahr der Kirchenmusik“?
Marianne Pratl-Zebinger: Eines vorweg: Es steht nirgends geschrieben, was Kirchenmusik ist! Und darum gibt es überhaupt keinen Grund, irgendetwas als Kirchenmusik zu betrachten und etwas anderes nicht. Gelingen wird dieses Jahr, wenn jede Gemeinde ihre festgefahrenen musikalischen Traditionen einmal anders betrachtet und es schafft, damit auch andere Milieus anzusprechen, und Lust darauf macht, etwas anderes auszuprobieren.
Woher kommt Ihre Liebe zur Musik?
Ich bin musikalisch aufgewachsen und ständig von Musik umgeben gewesen. Ich habe Geige und Klavier gelernt, habe auch eine Lust entwickelt, verschiedene Instrumente auszuprobieren – bis zur Steirischen Knöpferlharmonika.
Welche Bedeutung hat für Sie das Mitgestalten von Gottesdiensten durch Laien, z.B. in einem Chor oder einer Lobpreisband?
Elementare Bedeutung, weil ich davon überzeugt bin, dass die spirituelle Qualität eines Gottesdienstes mit der Musik steht und fällt. Sie kann Türöffnerin sein, um Menschen spirituell empfänglich zu machen. Außerdem ist alles wesentlich, was Menschen in die Beteiligung im Gottesdienst hineinholt. Schon für Martin Luther hatte das Singen den Sinn, die Menschen zu beteiligen – daher auch die gesungene Liturgie. Evangelische Kirchenmusik ist das gemeinsame Singen aus voller Kehle. Das ist unser Gotteslob, egal ob es schöner oder falscher klingt.
Als Pfarrerin bereiten Sie Predigten oft eher kurzfristig vor. Laienmusiker benötigen oft längere Vorlaufzeit. Wie gehen Sie damit um?
Das ist oft ein Alltagskonflikt in vielen Gemeinden, dass Organistin, Chor oder Band die Lieder vom Pfarrer zu spät bekommen. Wichtig ist, dass ich sämtliche Musik im Gottesdienst willkommen heiße. Ich möchte die Bedürfnisse möglichst vieler erfüllen. Das geht oft nur dann, wenn ich sie oder ihn musizieren lasse, was er oder sie kann. Ein Laienchor braucht seine Probenzeit, ich als Profi, als Pfarrerin, muss mich nach ihnen richten, was sie mir vorschlagen – nicht umgekehrt. Dadurch habe ich auch die Chance, dass wir den Geschmack der Menschen eher treffen, als wenn ich immer alles vorgebe.
Sie haben einmal bemerkt: „Mit Musik sagt sich manches leichter.“
Verglichen mit dem nur gesprochenen Wort kann man sich das Evangelium im Singen ganz anders aneignen. Auch die Psalmen wurden gesungen, und zwar nach damals bekannten Melodien. Und ich denke, es war kein Zufall, dass die Engelschöre in der Heiligen Nacht das „Ehre sei Gott in der Höhe“ gesungen haben.
Was brauchen Menschen, die sich in einer Kirche musikalisch entfalten möchten?
Sie brauchen Platz! Sie brauchen einen Raum, wo sie ihre Instrumente und Notenständer lagern können, wo sie laut sein können. Wichtig wäre, dass eine Pfarrgemeinde das zur Verfügung stellen kann.
Kann Musik auch glaubensferne Menschen ansprechen?
Auf jeden Fall! Menschen, die mit Religion nichts anfangen können, gehen in ein Bach-Konzert oder singen das Halleluja von Leonard Cohen. Ich würde mir überhaupt wünschen, dass mehr Kirchenräume für Musik zur Verfügung stehen. Dass etwa die örtliche Blasmusik ein Konzert gibt, sich ein Trommelworkshop trifft oder die Diözesankantorinnen und Diözesankantoren ein großes Werk auch in kleineren Pfarrgemeinden aufführen. Ich bin auch der Meinung, dass man im evangelischen Bereich nicht unterscheiden sollte zwischen geistlicher und weltlicher Musik. Jeder Raum kann ein geistlicher Raum werden, wenn Jesus Christus verkündigt wird.
Den Artikel können Sie auch in der aktuellen Jänner-„SAAT“ lesen. Die evangelische Zeitung für Österreich erscheint monatlich und ist für 37,50 Euro im Jahresabo hier erhältlich.
ISSN 2222-2464