01.03.2006

Müller: Geringe Vertretung Jugendlicher im Leitungsgremium „Wermutstropfen“ der Vollversammlung

Nach der Rückkehr aus Porto Alegre zog Superintendentin Luise Müller Bilanz über die Vollversammlung des Weltkirchenrates

Nach der Rückkehr aus Porto Alegre zog Superintendentin Luise Müller Bilanz über die Vollversammlung des Weltkirchenrates

Wien-Innsbruck (epd Ö) – „Den indigenous people und den disabled people gelang es, auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen und ihre Berücksichtigung im neuen Zentralausschuss zu sichern. Leider gelang dies der Jugend nicht, die weit hinter den gewünschten 25 % Mitglieder im neuen Zentralausschuss zurückblieb“, sagte Superintendentin Mag. Luise Müller nach ihrer Rückkehr aus Brasilien gegenüber epd Ö. Dass die Jugendlichen nur mit 15 % im Leitungsgremium vertreten seien, „ist wohl einer der großen Wermutstropfen dieser Versammlung, die großartig als Vollversammlung der Jugend angepriesen wurde“. Auch die Idee eines/einer Jugendpräsidenten/in war nicht umsetzbar. Immerhin, so die Superintendentin, wurde ein zusätzlicher Arbeitskreis mit jungen Menschen eingerichtet, der gehört werden muss.

Das durchaus umstrittene Konsensmodell hält Müller, die gemeinsam mit Mag. Michael Bubik (Evangelischer Flüchtlingsdienst) die Evangelische Kirche in Österreich bei der Vollversammlung vertrat, für „durchaus brauchbar, um Trends zu erfassen, zu steuern und Minderheitenvoten zu berücksichtigen“.

Problematisch beurteilt Müller die Plenarsitzungen, die insgesamt zu kurz angesetzt waren: „Was kann schon in eineinhalb Stunden diskutiert werden?“ Das Plenum zur Globalisierung habe vor allem die Leute aus dem Norden „verständnislos zurückgelassen“. Kritisch äußerte sich Müller auch zur abschließenden Botschaft der Vollversammlung: „Der Text ist für mich enttäuschend, ist die Botschaft doch nicht mehr als die Einleitung zu einem Gebet.“ Dies sei auch in der Vollversammlung stark kritisiert worden.

Weniger die Plenarthemen, sondern „die Ereignisse, die sich rundherum abspielten“, haben nachhaltig Eindruck hinterlassen: Bereichernde Einzelgespräche mit Menschen aus aller Welt, die Bibelgespräche in Kleingruppen mit Menschen aus anderem theologischen Umfeld, die Begegnung mit den Kirchen am Ort oder die ökumenischen Gespräche über Mission und Heilung mit Menschen aus Afrika.

„Wohltuend“ hat Müller die starke römisch-katholische Präsenz erlebt. Kardinal Kasper war mehrere Tage anwesend, eine vatikanische Delegation durchgehend, ebenso der Erzbischof von Porto Alegre, dessen „große ökumenische Aufgeschlossenheit“ Müller beeindruckte. „Angesichts der Zunahme von pfingstlerischen Gemeinden und aus dem indigenen Umfeld stammenden Heilungskulten scheint es sinnvoll zu sein, dass sich die etablierten Kirchen gut verständigen und einander verlässliche Partner sind“, betont die Superintendentin.

Unerschöpfliche Gesprächsthemen

„Es war vorhersehbar, dass heiß diskutiert wurde, was denn an der Welt verändert werden sollte“, sagte Monika Heitz, Delegierte der Altkatholischen Kirche in Österreich bei einer Pressekonferenz des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) am heutigen Mittwoch in Wien in Anspielung auf das Motto der 9. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen „In deiner Gnade, Gott, verwandle die Welt“. Ebenso sei klar gewesen, dass die Art und Weise, wie die Christenmenschen zu der Umgestaltung der Welt beitragen können, unterschiedlich gesehen werde: „Ob und, wenn ja, wie Christen sich gesellschaftspolitisch einmischen, bleibt ein unerschöpfliches Gesprächsthema“.

In Bezug auf die unterschiedlichen Reaktionen auf die Vollversammlung betonte der methodistische Altsuperintendent und Pressesprecher des ÖRKÖ, Helmut Nausner, dass dies besonders ein „deutsches Problem“ sei. „In der Schweiz beispielsweise schreiben die Medien von einem ökumenischen Sommer“.

„Offensichtlich hat der Weltkirchenrat zum ersten Mal in vielen Jahren sich mit größter Ernsthaftigkeit zur Teilnahme der Orthodoxen verhalten“, heißt es in einer Botschaft des Bischof Hilarion der Russisch-orthodoxen Kirche. Dies zeige sich in dem neu eingeführten Konsensprinzip, nach dem grundlegende Entscheidungen nur noch auf Grundlage des Konsenses getroffen werden: „Nunmehr kann die protestantische Mehrheit der orthodoxen Minderheit keine Entscheidungen mehr aufzwingen.“

ISSN 2222-2464

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