25.04.2007

Lehner: Ist Wohlstand ein letztes Ziel?

Eine Diskussion im Studentenheim „Dietrich Bonhoeffer“ in Linz über Wirtschaft, ethische Verantwortung und die Sorge um den Arbeitsplatz

Eine Diskussion im Studentenheim „Dietrich Bonhoeffer“ in Linz über Wirtschaft, ethische Verantwortung und die Sorge um den Arbeitsplatz

Linz (epd Ö) – Die Frage, „ob die Sicherung unseres Wohlstands tatsächlich ein letztes Ziel sein kann, eine Letztbegründung, die unserem Arbeiten und Tun Sinn gibt“, stellte der oberösterreichische Superintendent Dr. Gerold Lehner bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Höher – schneller – weiter. Bleibt der Mensch auf der Strecke?“ am 19. April im Evangelischen Studentenheim „Dietrich Bonhoeffer“ in Linz. In der vom Evangelischen Bildungswerk Oberösterreich und dem Studentenheim veranstalteten Diskussion sagte Lehner zum gängigen Argument der Zwänge des Marktes, des Wettbewerbs und der Globalisierung: „Ich denke, es ist hoch an der Zeit, diese Begriffe zu entmythologisieren, sie kritisch zu hinterfragen und zu erkennen, dass wir es nicht mit gottgegebenen Phänomenen zu tun haben, sondern mit Phänomenen, die Menschen geschaffen haben, die also Menschen verändern können.“

Auf die weltweiten wirtschaftlichen Vernetzungen verwies Mag. Norman Tendis von der Initiative „Wirtschaft im Dienst des Lebens“. Der Kärntner evangelische Pfarrer sprach sich dagegen aus, dass Österreich sich als eine „Insel der Seligen“ betrachte. Die gesamte Biosphäre sei bedroht, es bestehe eine ethische Verantwortung für die gesamte Welt. Durch Beschaffung von Informationen könne dabei geholfen werden, Ungerechtigkeiten zu verhindern. Das könne sich beim Kauf von Kaffee und Bekleidung niederschlagen sowie bei bewusstem Kauf von Waren, „die nicht um den Erdball geschickt wurden“.

„In der globalisierten Welt kann meine Firma nur bestehen, weil wir sehr gut ausgebildete und genau arbeitende Menschen beschäftigen.“ Das sagte der Unternehmer Josef Haidlmair in der Diskussion. Der Erzeuger von Spritz- und Druckgusserzeugnissen, dessen Firma 87 % Exportanteil ausweist, möchte für seine Arbeitnehmer das Arbeitsumfeld so angenehm wie möglich gestalten: „Dann erhalte ich gute Leute und dann bleiben mir diese auch in der Firma.“ Haidlmair: „Als Unternehmer sehe ich meine Aufgabe darin, den 500 MitarbeiterInnen durch kluges Agieren den Arbeitsplatz zu sichern.“ Der Industrie machten Umweltauflagen „insofern Sorgen, als sich Mitbewerber wie China nicht daran halten müssen“.

Die Sorge um die „schwarze Null“

Eine Debatte über die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums forderte der Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, Dr. Johann Kalliauer. Die Einkommen der Arbeitnehmer, so Kalliauer, blieben zurück, während die Gewinne der Unternehmer „explodierten“. Kalliauer äußerte auch Zweifel an der Freiwilligkeit der atypischen Arbeitsverhältnisse und der geringfügig Beschäftigten. Der psychische Druck auf die ArbeitnehmerInnen sei gestiegen.

Dem entgegnete Dr. Erhard Prugger, Vorsitzender der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt Oberösterreich und Leiter der Abteilung Sozial- und Rechtspolitik der oberösterreichischen Wirtschaftskammer, dass 90 bis 95 Prozent der österreichischen Unternehmer nicht das Problem „explodierender Gewinne“ hätten. Vielmehr seien sie bestimmt durch die Sorge um „die schwarze Null am Ende des Geschäftsjahres“ und darum, die Löhne und Gehälter der ArbeitnehmerInnen zu erwirtschaften und auszahlen zu können. Auch auf die Unternehmer sei der psychische Druck gestiegen.

ISSN 2222-2464

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