Leer werden
Michael Chalupka über den Abstand vom Alltag
Michael Chalupka über den Abstand vom Alltag
Der Kopf ist leer. Spätestens in der zweiten Urlaubswoche tritt bei mir dieser Effekt ein. Der Kopf ist dann so leer, dass ich mir nie wieder vorstellen kann, zurück zur Arbeit zu finden. Wäre der Kopf nicht so leer, könnte einen das mit Sorge erfüllen.
Oder aber man sieht es als geistige Übung. Die Meditation oder auch das Gebet haben ja das Ziel, ganz im Moment zu sein, ganz in der Gegenwart zu leben, achtsam zu sein auf sich, seine Mitwelt und – für den, der glauben darf – auch auf Gott. Diesen spirituellen Moment der Verbindung mit Gott und der Welt bietet ein leerer Kopf allein noch nicht. Doch er ist eine gute Voraussetzung. Zumindest eine bessere als ein Tag voller Termine und Ablenkungen, der die volle Aufmerksamkeit erfordert.
Abstand gewinnen vom Alltag, leer werden ist ein erster Schritt, der sich ungewohnt anfühlt und deshalb nach hektischer Betriebsamkeit ruft. Es tut gut, die Leere einfach zuzulassen, aufs Meer hinauszusehen, durch grüne Wiesen zu wandern. Wer weiß, was dann möglich ist? Welche Ideen sich einen Weg bahnen, für die zuvor kein Platz war? Vielleicht ist nach einer Zeit der Leere dann wieder Platz für anderes und andere. Wer weiß, vielleicht stellt sich dann auch so etwas ein wie ein inneres Zwiegespräch, bei dem es sich lohnt, genau hinzuhören? Wer weiß, vielleicht hört man dann auch etwas Neues und Überraschendes. Es lohnt sich, sich darauf einzulassen. Die Arbeit ruft früh genug.
(Fotonachweis: pixelio.de)
ISSN 2222-2464