30.05.2017

„Lange Nacht der Kirchen“ im Zeichen des Reformationsjubiläums

Oberkirchenrätin Herrgesell: „Kirche spielt sich nicht nur am Sonntag ab“

Moderatorin Ulrike Schelander-Sertic, Oberkirchenrätin Gerhild Herrgesell und der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner bei der Auftaktpressekonferenz zur "Langen Nacht der Kirchen" im Wiener Bibelzentrum. (Foto: epdÖ/M.Uschmann)

Oberkirchenrätin Herrgesell: „Kirche spielt sich nicht nur am Sonntag ab“

Wien (epdÖ) – Rund 650 Kirchen in ganz Österreich beteiligen sich heuer am 9. Juni an der „Langen Nacht der Kirchen“. Dabei können die BesucherInnen zwischen exakt 2686 Programmpunkten wählen, wie die Veranstalter am 30. Mai bei einer Pressekonferenz im Wiener Bibelzentrum bekanntgaben. In der Bundeshauptstadt findet die „Lange Nacht“ bereits zum 13. Mal statt. Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt heuer auf dem Jubiläum „500 Jahre Reformation“. Eröffnet wird die „Lange Nacht“ wieder mit Glockengeläut kurz vor 18 Uhr.

„‚Die Lange Nacht der Kirchen‘ bietet die Möglichkeit, dass sich die Kirchen öffnen“, betonte Oberkirchenrätin Gerhild Herrgesell bei der Pressekonferenz. Dabei sei es aber wichtig, die „Lange Nacht“ nicht nur als Binnenveranstaltung zu verstehen, sondern den Blick auch nach außen zu werfen. „Als Kirchen führen wir ein Inseldasein. Wir verstehen uns gut von Insel zu Insel, und es gibt auch Fähren, die die Inseln verbinden. Aber wir sehen nicht das große Meer rundherum“, so Herrgesell. Damit gemeint seien etwa Menschen am Rand der Gesellschaft, die in den Kirchen wenig bis gar nicht vertreten seien. Gerade für diese gelte es, die Stimme zu erheben. Deswegen müsse Kirche auch politisch sein, denn „Kirche spielt sich nicht nur am Sonntag ab“, sagte die Oberkirchenrätin. Von der „Langen der Nacht der Kirchen“ wünsche sie sich jedenfalls, dass es sich für die Besucherinnen und Besucher nicht nur um eine Kulturveranstaltung handle, sondern auch gesehen werde, wie sich Gemeinden in unterschiedlichen Bereichen engagieren und wie das Gemeindeleben aussieht. Für die Zukunft regt Herrgesell an, auch andere Religionsgesellschaften an der „Langen Nacht der Kirchen“ zu beteiligen.

Der römisch-katholische Pastoraltheologe Paul Zulehner wünscht sich von der „Langen Nacht der Kirchen“ eine Art Zwischenruf in Bezug auf gesellschaftliche Entwicklungen. „Es sollen ruhig störende Botschaften auch übrigbleiben von dieser ‚Langen Nacht‘. Damit soll klar werden: Es gibt eine Lobby, eine Stimme für die, die keine Stimme haben“, unterstrich Zulehner. Der katholische Theologe kritisierte die Gleichgültigkeit in unserer Gesellschaft, etwa gegenüber Flüchtlingen, Asylwerbern, aber auch psychisch Kranken sowie den Armen in Österreich, aber auch weltweit. „Wir glauben an einen Gott, deswegen müssen wir auch wieder die Einzigartigkeit der Menschheit betonen.“ Aus diesem Grund sei es zu wenig, einfach Grenzzäune hochzuziehen, um Menschen fernzuhalten. Das Schicksal der Armen in Afrika müsse uns genauso am Herzen liegen wie das Schicksal der Menschen in Österreich. „Hier muss die ‚Lange Nacht der Kirchen‘ Farbe bekennen“, so Zulehner. Hier zeige sich jedoch deutlich, dass die Kirchenspaltung einen Mangel an Glaubwürdigkeit mit sich bringe.

„‚Die Lange Nacht der Kirchen‘ ist eine wunderbare Chance, das Eigene, Wertvolle, den Schatz der jeweiligen Tradition anschaulich zu machen“, meinte der römisch-katholische Bischofsvikar Dariusz Schutzki. Darüber hinaus biete sie die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu kommen. „Dass die ‚Lange Nacht der Kirchen‘ so gut funktioniert, ist auch ein Verdienst der vielen Ehrenamtlichen“, sagte Schutzki.

In Wien startet die „Lange Nacht“ mit einem speziellen „Vorprogramm“, dem CSI-Schweigemarsch für verfolgte Christen. Die Veranstaltung beginnt um 16.15 Uhr und führt vom Stephansplatz zum Josefsplatz. In der nahen Augustinerkirche geht dann ab 17.30 Uhr die Schlusskundgebung in die Eröffnungsfeier der „Langen Nacht“ über. Neben anderen haben Kardinal Christoph Schönborn und Bischof Michael Bünker ihr Kommen zugesagt.

Olivier Dantine, Superintendent der Diözese Salzburg/Tirol, verwies bei der Auftaktpressekonferenz in Innsbruck auf das Jubiläum „500 Jahre Reformation“, das auch in Tirol begangen wird. Auch aus diesem Grund finde die ökumenische Feier zur Eröffnung der „Langen Nacht“ heuer in der Innsbrucker Auferstehungskirche statt. Besonders lud Dantine zum anschließenden „Abend der Religionen“ in die Auferstehungskirche ein: „Wir wollen die Öffnung nach außen sehr weit fassen und das Thema Gastfreundschaft ins Zentrum rücken.“ Ein Höhepunkt wird dabei zum Sonnenuntergang um 21.17 Uhr eine Erklärung der Israelitischen Kultusgemeinde zum jüdischen Sabbat und der Islamischen Religionsgemeinschaft zum muslimischen Fastenbrechen sein.

Das Reformationsjubiläum bildet auch in der Steiermark einen Schwerpunkt der „Langen Nacht der Kirchen“. In der Grazer Heilandskirche macht man sich beispielsweise Gedanken darüber, was „typisch evangelisch“ ist, von Johann Sebastian Bach beginnend bis zu originalen Luthertexten, stimmgewaltig präsentiert von Schauspieler Gerhard Ernst unter dem Titel „Was sich der Luther wieder erlaubt!“ Auf der Fassade der evangelischen Kreuzkirche wiederum entsteht im Rahmen von „Pray and Spray“ eine Kreuzigungsszene in Graffitikunst, und in der evangelisch-methodistischen Kirche beleuchtet man das Werk der Brüder John und Charles Wesley.

Gerold Lehner, Superintendent der Evangelischen Kirche in Oberösterreich, betonte bei einem Pressegespräch im Gemeindezentrum der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Linz-Innere Stadt die ökumenische Dimension der „Langen Nacht“. Vielfalt und Verschiedenheit im Bereich der Kirchen würden hier ausdrücklich nicht als Bedrohung oder Konkurrenz empfunden, sondern „als Reichtum, als schöner, interessanter und wichtiger Bestandteil im Garten des Christentums“. Durch diese „Einheit in Vielfalt“ sei die „Lange Nacht der Kirchen“ ein Beispiel gelebter ökumenischer Praxis.

Für evangelische Christinnen und Christen seien ihre Kirchen grundsätzlich nicht heiliger als andere Orte, erklärte die evangelische Pfarrerin Birgit Schiller bei der Auftaktpressekonferenz im St. Pöltener Diözesanmuseum: „Sie werden heilig, weil etwas Heiliges darin geschieht, wenn Menschen allein oder mit anderen singen und beten, Gott suchen und finden. Aber es wird in unseren Kirchen auch geredet und gelacht, gegessen und das Leben gefeiert.“ Deshalb passe die „Lange Nacht der Kirchen“ gut auch zu den Evangelischen, wenn die Besucher die Kirchen einmal nicht im Rahmen von Gottesdiensten, sondern bei anderen Veranstaltungen erleben und dabei mit den Gastgebenden und miteinander in Kontakt treten.

Längst hat die „Lange Nacht der Kirchen“ die österreichischen Grenzen überschritten. „Lange Nächte“ gibt es unter anderem auch in Ungarn, Südtirol, Tschechien, der Slowakei, Estland und der Schweiz. Die nächsten „Langen Nächte“ finden übrigens am 25. Mai 2018 und am 24. Mai 2019 statt.

ISSN 2222-2464

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