19.06.2013

Körtner übt Kritik an Dokument zum Reformationsjubiläum

"Weichgespülte Lesart reformatorischer Theologie"

Körtner übt Kritik am Dokument "Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames Lutherisch/Katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017", welches am 17. Juni in Genf vorgestellt wurde. Foto: epd/Uschmann

„Weichgespülte Lesart reformatorischer Theologie“


Wien (epdÖ) – Scharfe Kritik am Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames Lutherisch/Katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017“ kommt vom Wiener evangelischen Theologen Ulrich H.J. Körtner. Das neue Dokument, das am 17. Juni in Genf vorgestellt wurde, vermittle „den Eindruck eines Luthertums, das an sich selbst irre zu werden und die Orientierung hinsichtlich seiner geschichtlichen Sendung zu verlieren droht. Das ist besorgniserregend!“

Körtner, der Vorstand des Instituts für Systematische Theologie und Religionswissenschaft an der Universität Wien ist, äußert zahlreiche Kritikpunkte an dem Dokument. So bemängelt Körtner etwa eine einseitige Sichtweise auf die Reformation, die geprägt sei von der Klage über die Spaltung und dem Bekenntnis von Sünden gegen die Einheit der Kirche. „Dass die Reformation ein religiöser Aufbruch war, für den man bis heute nur dankbar sein kann, sucht man in dem Bericht vergebens.“ Ebenso sei von der evangelischen Freiheit, dem Evangelium als Botschaft der Freiheit, in dem Dokument kaum die Rede.

Kritik übt der Theologe auch an der gemeinsamen Lesart der lutherisch-katholischen Einheitskommission. Diese orientiere sich an Luthers Frage nach einem gnädigen Gott, würde aber der Antwort Luthers keinen Platz einräumen. „Wohl unterstreicht das Dokument in ökumenischer Eintracht den Gedanken, dass der Mensch allein aus Gnade (sola gratia) und allein um Christi willen (solus christus) gerechtfertigt und gerettet wird. Aber dass dies allein durch den Glauben geschieht (sola fide), stellt der Text eben nicht klar heraus.“ Zwar sei das Dokument bemüht, eine gemeinsame Darstellung der Theologie Luthers zu finden, das Ergebnis sei aber unbefriedigend. „Das geschieht um den Preis einer weichgespülten Lesart reformatorischer Theologie und der Abschwächung aller historischen Konflikte zu unglücklichen wechselseitigen Missverständnissen und menschlichen Versäumnissen, so dass man sich am Ende fragt, warum die Reformation überhaupt stattfinden musste.

Als Schwachpunkt des Dokuments sieht Körtner auch die Engführung der Reformation allein auf die Person Martin Luthers. Dies sei genau das Gegenteil von dem, was für das Reformationsjubiläum 2017 geplant sei. Auf die Reformatoren zweiter Generation, etwa Zwingli, Melanchthon, Bucer oder Calvin und ihre theologische Eigenständigkeit werde nicht eingegangen. Besonders die reformierte Tradition komme in dem Dokument kaum zur Sprache. Dazu komme, dass die innerprotestantische Ökumene – Stichwort: Einheit in versöhnter Verschiedenheit – ignoriert und die Leuenberger Konkordie von 1973 sowie die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa nicht berücksichtigt werde. Dagegen werde der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ von 1999 zu viel Bedeutung beigemessen. „Man mag zu diesem Dokument stehen wie man will, aber dass die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre auch noch als heilsgeschichtlicher Beweis dafür herhalten muss, dass das lutherische ordinierte Amt im Laufe seiner Geschichte ‚in der Lage war‘, ’seine Aufgabe zu erfüllen, die Kirche in der Wahrheit zu bewahren‘, ist starker Tobak“, ärgert sich Körtner.

Angesichts des Dokuments „möchte man den anderen protestantischen Kirchen zurufen: Das Reformationsjubiläum 2017 ist zu wichtig, als dass man es dem Lutherischen Weltbund überlassen dürfte!“, fasst Körtner seine Meinung zum Dokument zusammen.

In dem Dialog-Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames Lutherisch/Katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017“ präsentiert die lutherisch/römisch-katholische Kommission für die Einheit einen gemeinsamen Blick auf die Reformation und ihre Wirkungsgeschichte bis heute.

ISSN 2222-2464

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