20.05.2002

Körtner: Mangel an „politischer Courage“

Stammzellenforschung: Evangelischer Theologe Ulrich Körtner plädiert für eigenes österreichisches Embryonenforschungsgesetz

Stammzellenforschung: Evangelischer Theologe Ulrich Körtner plädiert für eigenes österreichisches Embryonenforschungsgesetz

Wien, 22. Mai 2002 (epd Ö) Einen „Mangel an politischer Courage und Ehrlichkeit“ in der Frage der embryonalen Stammzellenforschung wirft der evangelische Theologe Ulrich Körtner der österreichischen Bundesregierung vor. In einem Gastkommentar für „die Presse“ kritisierte Körtner, dass die embryonale Stammzellenforschung in Österreich zwar nicht verboten, aber auch nicht gesetzlich geregelt ist; für Körtner die „schlechteste aller möglichen Biowelten“.

Das von EU-Rat und EU-Parlament am 15. Mai beschlossene und 2003 in Kraft tretende EU-Rahmenprogramm sieht generell Förderungen für embryonale Stammzellenforschung vor, es sind nur bestimmte Bereiche, wie etwa das Klonen von Menschen oder die Züchtung menschlicher Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, ausgenommen. Verbieten oder erlauben kann das Rahmenprogramm allerdings nichts, dafür sind die nationalen Parlamente zuständig.

Die Brüsseler Entscheidung macht laut Körtner klar, dass auch für Österreich kein Weg an einem eigenen Embryonenforschungsgesetz vorbeiführe, wie es andere europäische Länder bereits hätten oder vorbereiten würden. „Das aber traut sich offenbar derzeit in Österreich kein Politiker öffentlich zu sagen“, so Körtner.

Der Theologe verwies darauf, dass Österreich nicht nur die embryonale Stammzellforschung mitfinanzieren werde, sondern dass auch österreichische Forscher selbst Forschungsprojekte mit embryonalen Stammzellen beantragen oder sich an multinationalen Forschungsgruppen beteiligen könnten. Der Import von existierenden embryonalen Stammzell-Linien nach Österreich und die Forschung an ihnen sei gesetzlich nicht verboten. Den Widerstand gegen das EU-Rahmenprogramm, den die zuständigen Bundesminister Gehrer und Reichhold im Rahmen der EU-Beratungen vorgebracht hatten, bezeichnete Körtner als „Scheingefecht“: „Da offenbar niemand in Österreich an gesetzlich verankerte Forschungsverbote denkt, ist das Lavieren der Wissenschaftsministerin nicht mehr als ein innenpolitisches Manöver, mit welchem offenbar die römisch-katholische Kirche und konservative Wählerkreise besänftigt werden sollen“.

Angesichts der forschungspolitischen Wirklichkeit in Europa bleibe nur der Weg, sich im Sinne der Mehrheitsposition auf europäischer Ebene an der Ausformulierung strenger Zulassungskriterien zu beteiligen. „Nur so können ethische Gesichtspunkte praktisch wirksam werden“, meinte Körtner. Andernfalls agiere man „höchst unethisch“ und schiebe die Verantwortung anderen zu und gefalle sich in der Rolle von „forschungspolitischen Trittbrettfahrern“.

In Österreich wurde das Thema Stammzellenforschung im EU-Rahmenprogramm am 8. Mai von der Ethik-Kommission der Bundesregierung erörtert. Letztendlich gab es keine einheitliche Stellungnahme der 19 Kommissionsmitglieder, elf sprachen sich für eine Förderung der Forschung an bestehenden Stammzellenlinien aus, acht lehnen auch dies ab.

ISSN 2222-2464

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