09.03.2009

Körtner kritisiert „heutige Rede von Spiritualität und Sinnsuche“

Eröffnungsgottesdienst der Evangelischen Woche in Wien

Eröffnungsgottesdienst der Evangelischen Woche in Wien

Wien (epd Ö) – Einen „Narzissmus, der ein Kennzeichen unserer Zeit ist“ hat der Wiener Systematiker Univ.-Prof. Ulrich H.J. Körtner kritisiert. In seiner Predigt im Eröffnungsgottesdienst zur Evangelischen Woche in der Lutherischen Stadtkirche Wien am 8. März erklärte der Theologe: „Der Narzissmus besteht in unseren Allmachtsphantasien, in unseren übersteigerten Ich-Idealen, die uns dazu verdammen, Gott gleich sein zu müssen, nicht etwa nur zu wollen.“ Auch die „heutige Rede von Spiritualität und Sinnsuche“ stellte der Prediger in Frage: „Das Wort Spiritualität steht heute gewissermaßen für die weichgespülte Form von Religion, eine Wellness-Religion, die keinem wehtut, dafür aber die harten Stöße des Lebens ein wenig abfedert. Sie lehrt uns, dass wir die heilenden Kräfte des Guten in uns selbst suchen müssen und finden.“ Nach dem Apostel Paulus und dem Reformator Calvin gehe es jedoch um die Verheißung „einer höheren, von uns selbst in diesem Leben gerade nicht leistbaren Vollendung“. Diese Verheißung befreie dazu, „unsere eigene Endlichkeit und Unvollkommenheit anzunehmen und gerade so wahrhaft menschlich zu werden“.

Körtner, der den Werdegang des Genfer Reformators Johannes Calvin in seiner Predigt nachzeichnete, verwies auf das Calvin-Wort, das in diesem Jahr das Motto für die Evangelische Woche bildet: „Wo Gott erkannt wird, da wird auch Menschlichkeit gepflegt.“ Der Systematiker betonte: „Zur Menschlichkeit gehört eben auch, dass wir unser Maß finden und von der Maßlosigkeit narzisstischer Allmachtsphantasien befreit werden, die uns zunächst beflügeln und berauschen, dann aber, weil sie zum Scheitern verurteilt sind, in Depression und Verzweiflung abstürzen lassen.“

Die Liturgie des Eröffnungsgottesdienstes in der Lutherischen Stadtkirche gestalteten die Gemeindepfarrerin Ines Knoll und der Vorsitzende des Evangelischen Bildungswerkes A.B. Wien, Martin Vogel.

Die traditionelle Wiener Veranstaltungsreihe „Evangelische Woche“ findet vom 8. bis 14. März in der Lutherischen Stadtkirche, der Reformierten Stadtkirche, dem Albert Schweitzer Haus und dem Votiv-Kino statt und wird vom Evangelischen Bildungswerk A.B. Wien veranstaltet. Die Vorträge, Diskussionen, ein Konzert und eine Filmveranstaltung stehen im Zeichen Calvins: 2009 wird der 500. Geburtstag des Reformators begangen.

ISSN 2222-2464

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