13.06.2018

Klagenfurt: Fachtagung zu Gewalt im Betreuungsalltag

400 TeilnehmerInnen diskutierten „noch immer tabuisiertes Thema“

Auch soziale Ausgrenzung kann zu Aggression und Gewalttätigkeit führen, sagte der Berliner Psychiater Joachim Bauer. Foto: pixabay/rawpixel

400 TeilnehmerInnen diskutierten „noch immer tabuisiertes Thema“

Klagenfurt (epdÖ) – Fragen der Gewalt im Betreuungsalltag widmete sich die Fachtagung „Erdbeeren mit Schlag“ der Diakonie de La Tour am Dienstag, 12. Juni, in Klagenfurt. Mehr als 400 Personen nahmen an der Tagung teil, auf der ExpertInnen wie die designierte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser, der Wiener Jurist Wolfgang Mazal oder der Berliner Psychiater Joachim Bauer über das laut Aussagen der Veranstalter „immer noch tabuisierte Thema“ referierten.

Moser: Wo fängt Gewalt an?

Im professionellen Betreuungskontakt habe sich die Wahrnehmung durchgesetzt, dass Gewalt nicht zu dulden sei, meinte Pfarrerin Moser in ihrem Statement. Sei es früher zum Beispiel selbstverständlich gewesen, auf aggressives Verhalten von Menschen in Betreuungseinrichtungen mit bewegungseinschränkenden Maßnahmen zu reagieren, so frage man sich heutzutage: „Wo fängt die Gewalt an und wie können wir eine Balance finden zwischen der Selbstbestimmung von Klienten und ihrer sowie anderer Menschen Sicherheit?“ Auch das Ignorieren von Selbstbestimmung sei eine Form von Gewalt.

Mazal: Recht ist human ausgeformte Gewalt

Der Arbeits-, Sozial- und Medizinrechtler Wolfgang Mazal sah in seinem Referat Recht – als handlungsleitendes Instrument – „immer als Gewalt – aber human ausgeformte Gewalt.“ Deshalb werden Rechtsvorschriften auch nicht als Gewalt wahrgenommen, sondern als „legitimierte und klar definierte ‚Spielregeln‘ einer Gesellschaft.“ Recht befreie jedoch nicht davon, Fragen nach der Würde eines Menschen, nach Verantwortung oder Schuld zu stellen.

Bauer: Aggressionen durch soziale Ausgrenzung zu wenig beachtet

Der Psychiater und Internist Joachim Bauer gab auf Basis der Neurowissenschaften Erklärungen, wie professionelle Helferinnen und Helfer die Auslöser von Aggression und Gewalt erkennen und entsprechend gegensteuern können. Aus neurobiologischer Sicht seien die Schmerzen bei sozialer Ausgrenzung und Demütigung dieselben wie bei körperlichem Schmerz: „Wer diese Schmerzgrenze berührt, wird Aggression ernten.“ Soziale Ausgrenzung könne durch verbale oder körpersprachliche Zurückweisung, Attribuierungen, Stereotypisierungen, oder auch Diagnosen passieren und so zu Aggressionen führen. Dieser bislang wenig beachtete Aspekt müsse in der täglichen sozialen Arbeit deutlicher bewusst gemacht werden.

Workshops am Nachmittag ergänzten das Programm. Begrüßt worden waren die TeilnehmerInnen von Landeshauptmann-Stellvertreterin Beate Prettner, Gottlieb Türk, dem Leiter des Kärntner Kriminalamtes, sowie Pfarrer Hubert Stotter, Rektor der Diakonie de La Tour.

ISSN 2222-2464

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