13.11.2006

Kirchenhistorische Tagung würdigte den österreichischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Militär und Kirche

Robert Bernardis: Dem wichtigsten österreichischen Juli-Attentäter ein Gesicht geben

Robert Bernardis: Dem wichtigsten österreichischen Juli-Attentäter ein Gesicht geben

Wien (epd Ö) – „Bei Bernardis ist durch die Konfrontation mit den Geschehnissen und ihren ethischen Herausforderungen eine Entwicklung hin zu einem bewussten – wohl weniger praktizierten – Christentum initiiert worden“, sagte Militärsenior DDr. Karl Reinhart Trauner in seinem Vortrag über den österreichischen Widerstandskämpfer Robert Bernardis im Rahmen der diesjährigen wissenschaftlichen Tagung der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich, die am 10. und 11. November in den neuen Räumen der Evangelisch-Theologischen Fakultät in der Wiener Schenkenstraße stattfand. Bei der Tagung zum Thema „Die evangelische Kirche in Österreich zur Zeit des Nationalsozialismus“ betonte Trauner: „Oberstleutnant im Generalstab Robert Bernardis ist einer der ganz wenigen Offiziere des 20. Juli 1944 aus Österreich, und er ist der einzige, der seine Tat mit dem Leben bezahlte – und er war evangelisch.“ Der Militärgeistliche forderte: „Es ist nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine ethische Forderung gerade an die evangelischen Kreise, dem wichtigsten österreichischen Juli-Attentäter ein Gesicht zu geben, ihm eine Biographie zurückzugeben und ihn damit zu einem Teil der eigenen Identität zu machen.“

Brüchigkeit des Denkens

Trauner schilderte den Werdegang des 1908 in Innsbruck geborenen und in Linz als „Karfreitagschrist“ aufgewachsenen Berufsoffiziers, der auch unter den politischen und beruflichen Bedingungen des Ständestaats evangelisch geblieben war. Obwohl man in dieser Frage an „quellenmäßige Grenzen“ stoße, müsse Bernardis „durchaus als bewusster – vielleicht mehr als ihm selbst bewusst war – Christ evangelischer Prägung angesprochen werden“. Trauner: „Das Festhalten am Protestantismus war für Bernardis auch ein Festhalten am großdeutschen Gedankengut.“ Der Offizier habe vor 1938 mit dem Nationalsozialismus sympathisiert. „Aber ist nicht“, fragte Trauner, „gerade diese Brüchigkeit in Bernardis’ Denken, die sich auch bei vielen anderen österreichischen Protestanten in verschiedenen Ausdruckweisen findet, ein Baustein österreichischer evangelischer Identität zwischen altnationaler Einstellung und nationalsozialistischer Aufbruchstimmung, zwischen Österreichbezug und ‚natürlicher Deutschlandorientierung’ sowohl in politischer als auch in konfessioneller Hinsicht?“

Bernardis, der nach Kontakten mit Oberst i.G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg in den Kreis der Verschwörer gekommen war und an der Planung des Staatsstreiches unmittelbar beteiligt war, wurde am 8. August 1944 wie alle Juli-Attentäter auf persönlichen Befehl Hitlers in Berlin-Plötzensee erhängt.

Evangelische Verfechter des katholischen Ständestaats

Persönlichkeiten, die sich als Anhänger des Ständestaats gegen die Einflüsse des Nationalsozialismus in der Evangelischen Kirche Österreichs gestellt haben, stellte der Wiener Kirchenrechtler und Kirchenhistoriker Univ.-Prof. Dr. Karl Schwarz in seinem Referat „Widerstand gegen den ‚Anschluss’ – Evangelische Proponenten für den katholischen Ständestaat“ vor. So habe der Ramsauer Pfarrer Jakob Ernst Koch, der zugleich Abgeordneter zum steiermärkischen Landtag gewesen sei, als „Exponent einer reformatorischen Bekenntnisbewegung in Österreich“ schon im Jahr 1933 in einem Rundschreiben gewarnt: „Wenn unsere Kirche mit der Bewegung deutsche Christen verkoppelt wird, so bedeutet das den politischen Selbstmord der Kirche.“ Koch, der den deutschen Pfarrernotbund und die Bekennende Kirche in Österreich aktiv unterstützte, habe später auf Grund seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus freiwillig sein Amt in Ramsau niedergelegt und sei des Landes verwiesen worden.

Ing. Viktor Gross vom „Bund heimattreuer evangelischer Österreicher“ habe, so Schwarz, in Aufrufen an die österreichischen Protestanten gegen die Übernahme „reichsdeutscher“ Vikare protestiert und gefordert, dass „Geistliche, die sich zu den Ideologien des Nationalsozialismus bekennen, rücksichtslos abgesetzt und durch österreichische Pastoren ersetzt werden“.

Evangelische Gegner des Nationalsozialismus in der Vaterländischen Front

Als Gegner der Anhänger des Nationalsozialismus in der Evangelischen Kirche sind auch der Schartener Pfarrer Viktor Hugo Reinprecht und der Mitarbeiter des Institutum Judaicum Delitzschianum im Haus der Schwedischen Israelmission in Wien, Erwin Reisner, aufgetreten. Reisner setzte sich im Juli 1936 in einer Rundfunksendung für ein gewandeltes Verständnis des Katholizismus ein. Gegen den Markt Allhauer Pfarrer Viktor Robert Jacobi, der sich als Ortsgruppen- und Kreisführer der Vaterländischen Front für konfessionellen Frieden und für die Überbrückung der Gegensätze einsetzte, wurde, so Schwarz, mit „Heil-Hitler-Rufen“, Steinwürfen und diffamierenden Plakataktionen demonstriert.

Schwarz nannte in seinem Vortrag auch den Präsidenten des Oberkirchenrates Dr. Viktor Capesius, der 1935 eine kirchenamtliche Aufforderung zur Mitgliedschaft in der Vaterländischen Front „als einer überparteilichen Organisation für die Freiheit und Unabhängigkeit Österreichs, zur Pflege von Heimattreue und -liebe, als Integrationshilfe und als Mittel gegen Klassenkampf und Kulturkampf“ erlassen hatte.

ISSN 2222-2464

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